Die babylonische Verwirrung beginnt mit der Sprachschlamperei der Begriffsverfremdung. Für einige Reklamekünstler mag das der Inbegriff höchster Sprachkunst sein, die anfänglich, wegen der Perplexität der Angesprochenen, Erfolg hat; doch wenn diese Verfremdungen dann zum Umgangsslang werden, dann geht das zulasten einer verständlichen Kommunikation. "Ich entschuldige mich", ist so ein sprachschlampiges Unding. Wenn eine Politfigur vom Podium herab beispielsweise "sich" entschuldigt, legt sie Zeugnis ihres Baunausentums ab, weil sie nicht um Entschuldigung bittet. Sie gibt vor, selbst zu besorgen, was sie selbst nicht besorgen kann, denn dieses Bitten enthält das Schuldbekenntnis und den notwendigen Bussgang zur Entschuldigung, die nur Leidbetroffene gewähren können. Eine Person die, in angemasster Stellvertretung, sich selbst für angebliche Vergehen anderer entschuldigt, betreibt ein Übermass an Selbstbespiegelung mit solchem intriganten Diffamierungsspiel. Eine Politfigur höchsten Ranges die "sich selbst" entschuldigt, nimmt uns gar die Möglichkeit, ihr ihren Ausrutscher zu verzeihen.
Alles Forschen nimmt mit Fragen seinen Anfang, und jede Frage enthält bereits die Spur ihrer Antwort, auf die sie ausgerichtet ist. Wer Antworten gibt, ohne befragt worden zu sein und ohne gefragt zu haben, versteht die eigene Logorrhoe nicht. Das braucht er auch nicht, denn er schmeichelt sich selbst mit seinem blossen Lautgeben, macht Stimmung und gibt Stimmung wider. Sprachschlampereien sind solche logorrhoeischen Selbstbefriedigungen coram pubblico. Beim Tingeltangel des Varietés gehört das zur Massenlustbarkeit. In der Politik wird das zur Gefahr des Ausbruchs einer Massenpsychose, die leicht zu einem Blutbad führen kann.
Sprache kann also auch ohne Sinninhalt Wirkung haben, enthält Emotionen und drückt Emotion aus. Sprachzerfall sollte Aufmerksamkeit wecken, denn er ist ein untrügliches Alarmsignal für den eintretenden Kulturzerfall. Das ist bereits durch biblische Weisheit überliefert. Die Genesis berichtet, wie Menschen einer Sprache gemeinsam Grosses leisten, und wie mit ungebildetem Sprachgebrauch auch das Grosse einer Kultur zerfällt. "Es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen, und sie haben sich vorgenommen das (den Turmbau) zu tun; sie werden nicht ablassen von allem, was sie sich vorgenommen haben. Wohlauf, so lasset uns herniederfahren und ihre Sprache daselbst verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe, sprach der Herr. Also zerstreute er sie von dort in alle Länder, dass sie aufhören mussten ihre Stadt zu bauen"
. So steht es im 1. Buch Moses. Es ist die Rede von einer einheitlichen Vielfalt wie einer vielfältigen Einheit, welche die Voraussetzung zur hochkulturellen Leistung ist.
Das Grundgerüst der Sinnfälligkeit von Lautmodulationen ist einerseits durch den Standort, von dem ein Signal ausgeht gegeben, und andrerseits vom umgebenden Bereich, als dem Ziel des Signals, also durch rufen und hören. Der Rufer (Sender) ist singular, die Umgebung hingegen mehrfach, also plural. Es gibt zudem den Sonderfall des singulären Senders zum singulären Empfänger, einen Plural, der Sender und Empfänger in Wechselwirkung als eine exklusive Einheit, gewissermassen als einen Intimplural, also als Paar erfasst. Er betrifft Personen und Sachen. Ein Paar Hosen, ein Paar Socken und dergleichen, sowie ein Liebespaar, ein Brautpaar, ein Ehepaar und ein Gespann, weisen einen spezifisch bedingten Plural aus. In der Naturvorlage haben wir es also mit einem dreifach gegliederten Numerus zu tun, dem Singular, dem Dualis und dem Plural.
Ein Paar Hosen sind etwas anderes, als das eine Paar unter den paar (wenigen) anderen. Im ungepflegten Sprachgebrauch sieht der Banause sich schon mit einer Hose bekleidet, das heisst mit nur einer Beinröhre, während doch die Kleidung aus zwei Beinröhren, also einem Paar Hosen bestehen sollte.
Gemeine Unbildung führt zur Begriffsverfremdung. Hat ein Treuhänder sein Bestes getan, um ein Vermögen zu erhalten und zu mehren, so hat er es sicher nicht bekommen, wenn er dies redlich für seinen Auftraggeber tat. Falls ein Kunstmäzen und Sammler seine Kostbarkeiten einer Stiftung anvertraut, auf dass das Kulturgut erhalten bleibe, so hat es niemand bekommen, um es zu verschleudern. Dennoch hat das Verb erhalten einen unrühmlichen Platz in der Umgangssprache, indem alle Welt erklärt zu erhalten, wenn lediglich bekommen gemeint ist. Erhalten ist gleich dem lateinischen MANU TENERE = mit Händen halten und bedeutet die Erhaltung des Zustandes einer Sache, und auch für den Fortgang einer Funktion sorgen, wie auch durch Leistung für den Qualitätserhalt des Eigenwertes sorgen. Also keine Rede von bekommen um es zu besitzen und gegebenenfalls zu verschlingen oder abzuführen. Erhaltung heisst Bewahrung, und schliesslich gibt es auch den Erhaltungstrieb, der den eigentlichen Sinn des Verbs erhalten veranschaulicht. Der Nebensinn des Verbs erhalten, als Wertübertragung (bekommen), ist an die Bewahrung des Wertes, den es zu erhalten gilt, gebunden. Was wir an Kultur mitbekommen haben, sollten wir erhalten und nicht verkommen lassen. (Im etymologischen Duden 1963 fehlt das Kapitel).
Präfixe verführen, besonders im Verbund mit Fremdwörtern, zu sprachlichem Unsinn. So scheint die unedle Abkunft des Adjektivs "unterprivilegiert" kein Anlass zu sein, seine Sinnfälligkeit zu prüfen. Es ist fester Bestandteil der Umgangssprache, um nicht benachteiligt oder vernachlässigt sagen zu müssen, wo es angebracht wäre. Ursprünglich weckten wohl die Vorteile Aufmerksamkeit und Begehren bei jenen, die keine hatten, und so an ihrer Benachteiligung litten. Wenn Sprache zur oralen Ausscheidung verkommt, sind einige eingeschobene oder weggelassene Vokale und Konsonanten blosses Füllgut. Einsilbige Vorsilben wachsen sich zu zweisilbigen Ungeheuern aus, wenn sie damit mundgerechter werden. Das "un" (nicht) von unprivilegiert wird zum "unter", quasi als Offenbarung unterentwickelter Sprachkenntnis. Wer besinnt sich, munter plaudernd schon darauf, dass das lateinische PRIVILEGIUM ein Sonderrecht, ein Vorrecht ist, und demgemäss ein Unterprivileg noch immer ein Vorrecht und Sonderrecht (wenn auch minderen Ausmasses) bliebe. Klar und deutlich wäre die Aussage, wenn Benachteiligungen auch so benannt würden. Wer nicht über Vorrechte verfügt, kann vergleichsweise übel benachteiligt sein.
Eine Beiläufigkeit, wie der inflationäre Missbrauch der Vorsilbe "ab", verziert nicht nur "sinken", sondern auch "decken", so dass der Abdecker nicht mehr weiss, was seines Waltens ist. Soll er nun dem Kadaver die Decke (das Fell) abziehen oder ihn bedecken? Jede Person weiss, dass sie frieren wird, wenn sie sich abdeckt. Auf dem frisch montierten Elektroheizgerät steht warnend: "nicht abdecken!" Wird es jedoch bedeckt gelassen, entsteht höchste Brandgefahr; und dennoch deckt männiglich ab, wenn bedecken, zudecken, eindecken oder schlichtweg decken gemeint ist. Dass sich jemand bedeckt, und nicht etwa abgedeckt hält, lässt sich am ehesten noch in einem seriösen Wirtschaftsbericht lesen, beispielsweise in der NZZ
. Die Abgedeckten sind nämlich schon deshalb nackt und bloss, weil ihnen der Sinn für die Verbindlichkeit des Wortes fehlt.
Reich oder arm, das ist stets die Frage. Bereichern ist möglich, verarmen auch; aber abreichern und abgereichert sein, würde mindestens von maroder Sprachkultur zeugen.
Abgereichert ist der undeutschsprachige Wechselbalg, dessen Erzeuger zum Akt entweder von luetischer Verblödung oder von bösartiger Dialektik getrieben waren. Ihr Adjektiv abgereichert soll vermindert, herabgesetzt oder verarmt ersetzen. Es ging zwar um den mit strahlungsarmem Uran gehärteten Kern eines panzerbrechenden Geschosses, aber abgereichert ist offenbar klassenbewusster! Ein Kleinbauer wird nun wohl nicht mehr an Einkommen verarmen, sondern als abgereicherter Kulak entlarvt werden, denn er besitzt ja noch die letzte Kuh, die ihm erhalten blieb.
Etymologisch hat das gemeingermanische Wort "ab" seine Entsprechungen in vielen indogermanischen Sprachen, wie im adh. aba, got. af, engl. of,
schwed. av. lat. ab, idg. und gr. apo. Es meint Abstand, weg von, jedenfalls das direkte Gegenteil von Körpernähe. Als Präfix bestimmt es auch das Adjektiv aphoristisch (gr. aph-orismòs = Abgrenzung, Bestimmung) in der Bedeutung von prägnant und geistreich, wovon bei seinem allgemeinsprachlichen Missbrauch rein gar nichts vorhanden ist.
Eine seltsame Vorliebe hat der allgemeine Sprachgebrauch für das Beinhalten. Jede Sprachwendung kann klare oder auch verdeckte Mitteilungen enthalten. Warum sie stattdessen diese bein-halten muss, sollte das etwa mit der Vorstellung von wonniglichen Verheissungen zusammenhängen?
Schlagworte, die verkürzt vermeintlich wichtige Informationen vermitteln, sind Verdrehungen. Die eigentliche Quelle dazu bilden die Stichworte die, quasi als Schlüssel, eine Reihe engrammierter Informationen erschliessen; aber die verkürzte Form wird missbraucht, um verfrühte oder verdrehte Folgerungen mit ihren Schlagworten einzuleiten. Es ist ein Werkzeug der Demagogie, womit auch politische Indoktrinierung betrieben wird, wie mit der Entfremdung der Begriffe von ihrem eigentlichen Inhalt. So entstehen verwirrende Regelungen, wie die amtlich eingeführte Verwechslung von Genus und Sexus im offiziellen Sprachgebrauch, gipfelnd im blödsinnigen grossen "I" inmitten eines geschriebenen Wortes.
Die Neue Zürcher Zeitung
bemerkte einst: "Das deutsche Wort "Rechtschreibung" scheint zu bedeuten, dass man in unserer Sprache den grausigsten Unsinn schreiben kann – wenn nur die Buchstaben stimmen."
Deutsch ist mitten in Europa angesiedelt in enger Berührung mit vielen, unterschiedlichen Sprachen. Sie ist eine der wortreichsten, weil sie schon immer Wörter aus ihrer Nachbarschaft aufgenommen hat. Das ist kein Problem, insofern damit die Nachbarkontakte erleichtert werden, und dies geschieht bei angemessen diszipliniertem Gebrauch. Schwierig wird es allerdings bei Sinnverdrehungen von Fremdwörtern und verfälschten Begriffen.
Mit neuen Reglementationen werden ideologische Inkreise geschaffen. Aus einer solchen "neuen" Identität der "Gutgesinnten" werden all jene in den Auskreis verdammt, die der political correctness nicht Folge leisten. Es wird die Gesinnungkonformität diktiert, die am Sprachgebrauch gemessen und kontrolliert werden kann. Die Umgangssprache ist damit politisch infiziert.
Dazu vermittelt Paul Ehinger
mit seiner Schrift "Herrschaft durch Sprache" ein beeindruckendes Quellenregister, das unsere hier vertretenen Thesen umfänglich sichert.
Die offizielle Schweiz, mit ihren regional durchaus vielfältigen, jedoch in der Befolgung der political correctness weitgehend gleichgeschaltet konformen Presse wie der elektronischen Medien, hat es im letzten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts, suggestiv einhämmernd fertiggebracht, in gekonnter Manier der marxistischen Dialektik, Begriffe wie "einschliessen" und "anschliessen" in "öffnen" zu verfälschen.
Wörter bilden Gespinste, mit denen, angemessen zugeschneidert, Vorgänge bemäntelt werden. Annektion und Anschluss kannten wir schon, aber Anöffnung dürfte neuwertig sein. Der Schweizerische Souverän, das Volk, wusste am 4. März 2001 indessen noch die Gegensätzlichkeit von öffnen oder (an)schliessen zu unterscheiden
. Am 3. März 2002 hatte sich die Begriffsmetamorphose öffnen für schliessen, freilich für eine andere Vorlage, durchgesetzt. Die Initiative für den Einschluss in die Weltorganisation UNO wurde mit 54,6 % Ja, gegen 45,4 % Nein, mit dem Ständemehr von 12 zu 11 Kantonen angenommen
.
Die Diskussion wird hier, stellvertretend für alle Sprachen (zumindest den indoeuropäischen), auf deutsch geführt. Das psychosoziale Funktionsprinzip ist Matrix (Mutterboden) jeder Sprache als psychodynamische Erscheinung. Die individuell empfundene soziale Identität, dieses Teilhaben am internen Kreis von seinesgleichen, ist nicht durch die selbe Haut- Haar- und Augenfarbe, ja nicht einmal durch die gemeinsame Sprache bestimmt, sondern vielmehr durch die Art und Weise des Umgangs damit, wie auch durch die Wahl von Vorlieben und die Gemeinsamkeiten der Wertpflege. So wird eine Sprache erst dann zu einer Gemeinsamkeit, wenn sie in gleichwertiger Sorgfalt geübt wird. Es ist einfacher, sich mit einer fremdsprachigen Person zu verständigen, als mit Benützern eines ähnlichen Vokabulariums, die nicht die Grundregeln zu dessen Gebrauch einhalten, sei es, dass sie dessen nicht fähig sind oder dass sie den schlampigen Umgang damit für reizvoll halten. Die Verständigung wird schon mühsam, wenn die Umstandsbestimmungen missachtet werden. Ob Zeit, Ort oder Art und Weise, das sollte aus der rechten Wahl des entsprechenden fragenden Fürwortes hervorgehen. Die Kasusformen der Deklination ergeben einen zweifelsfreien Sinn nur bei sachgerechter Anwendung; doch solche Feinheiten sind dem Unbedarften fremd. Der Zeitwortschatz, das heisst die Kenntnis vieler, spezifischer Verben, die eine treffende Auswahl erlaubt, und die Konjugation, bestimmen das Niveau der Sprachpflege auf der Skala vom Simpel, bis hinauf zum Sprachästheten. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Gesprächspartner Blutsverwandte oder Zufallsbekannte sind. Der engere soziale Inkreis umfasst die Kulturgemeinschaft der sittlich gleichermassen Anspruchsvollen. Es ist die sinnbestimmte Ethik, die über die Identität des sozialen Wohlbefindens entscheidet.
Diese Hinweise sind Beispiele, die für die gesamte Grammatik und Syntax stehen, als dem Gesetz, das der Sprache sinnfällig innewohnt. Vokabeln allein verraten nicht mehr als trällern und lallen. Sie werden erst durch eine grammatische Ordnung brauchbar.
Die Orthographie ist eine untergeordnete Kategorie und spielt im oralen Sprachgebrauch eine sekundierende Rolle. Sie ist ein Nachvollzug der Sprechweise und hat diesen Dienst so getreu wie nur möglich zu leisten, indem sie vor allem sprechbar sein muss. Preisfrage: Wie wird eine Majuskel (z.B. I statt i) inmitten eines geschriebenen Wortes sprechbar?
Ein eigenes Thema bilden die Geheimcodices, also die exklusiv für "Eingeweihte" reservierten Vokabularien, der in Karrierestufen angeordneten Grade religiöser Sekten und politisierender Zirkel. Solche Organisationen zeichnen sich durch ihre elitäre Geschlossenheit aus. Sie funktionieren diszipliniert nach dem Inkreis- Auskreisprinzip. Die sprachliche Einweihung ist dann mit verliehenen Titeln und Insignen verbunden und gebraucht codierte Mitteilungen, verstärkt durch "geheimnisvolle" Symbole und Rituale. Das Funktionsprinzip ist immer gleich, wie es die mililtärische Organisation am sichtbarsten offenbart. Bekannt durch diesbezügliche Geheimnistuerei sind beispielsweise die Freimaurerlogen, die Scientology-Kirche, die "Geheimlehre" der Anthroposophen wie der "Christian Science", und die "Brüder des Rosenkreuzes", wie auch Wahnsinnsformen, die durch spektakuläre Rituale der Endzeitpanik (Gruppensuizid) posthum von sich reden machen, wie das Drama der Sonnentemplersekte 1994/95
.
Die faszinierende Tatsache, dass alle Sprachen untereinander übersetzbar sind besagt, dass es gemeinsame Gesetzmässigkeiten dieser Sprachen gibt. Ferner werden spezifische Verwandtschaften innerhalb einzelner Sprachfamilien deutlich. Uns Europäer verbindet die Verwandtschaft der indoeuropäischen Sprachfamilien, zu denen auch aussereuropäische Sprachen, wie beispielsweise Urdu, Hindi und Persisch zählen, ja, unter Philologen gilt Indien als die geographische Wiege der arischen = indogermanischen Sprachen. In die europäische Völkerfamilie gehören auch einige Turksprachen, sowie semitische Abkömmlinge, auf deren letztere eine bedeutende Kulturakzentuierung des Abendlandes beruht. Besonderes Gewicht haben die mosaischen Sittengesetze, die das Fundament der europäischen Ethik noch heute bilden, trotz der Aufweichung einzelner Gebote, die unter anderem durch chemisch-technische Entwicklungen gefördert worden ist. Hierzu zählt die Unterhöhlung der Moral der ehelichen Treue und des vorehelichen Sexualverhaltens mittels der Möglichkeit der Schwangerschaftsverhütung.
Die Sprache ist nicht das einzige Verständigungsmittel zwischen Individuen und grösseren Identitätseinheiten und deren Weiterungen. Gewöhnlich ist Sprache von Mimik und Gestik begleitet und akzentuiert. Widersprechen sich diese verschiedenen Ausdrucksmittel innerhalb einer Mitteilung, dann entsteht ein besonderer Reiz, mit der Unsicherheit einer gültigen Deutung. Dieser Reiz kann, je nach der ursächlichen Gemütslage involvierter Naturen, zu Erheiterung, Perplexität, Irritation, Ärger, Wut wie auch Raptus führen. Das Provozierende der Verfremdung im Mitteilungsmittel wird bewusst bei Bühnenanekdoten, Stimmungsmache und zu demagogischen Zwecken genutzt.
Sprache drückt dasjenige aus, was über der Physik der Dinge steht. Sprache erklärt Unsichtbares, Unhörbares, Unschmeckbares, Untastbares aber dennoch Fühlbares und Empfindbares, Beängstigendes, Erfreuendes, ist trauern und jauchzen, Sprache ist also der Vermittler von Bedürfnissen und Gefühlen, von Impulsen und der Stimmungen, des Edlen wie des Niederträchtigen. All' diese Eigenheiten sind die Elemente, auf die sich Verbalisation, Lautmalerei, Aufschrei wie auch Melodie beziehen. Wenn Einheit aus Vielheit besteht, dann gilt der Satz auch in seiner Umkehrung so, dass Sprachen auf einen gemeinsamen Nenner zurückgeführt werden können, und dass der gemeinsame Nenner sich in Vielheit zergliedern lässt. Die Sprache als Phänomen hat Gestalt aus Laut und Struktur, und ebendiese Sprachstruktur macht übermittelte Signale erst zu verständlichen Botschaften. Sie bezieht sich auf das in anderer Weise nicht Aufzeigbare und vermeldet auch den persönlichen Eigenwert.
Die Matrix des Eigenwertes ist die Identität in der Intimität. Derartige Empfindungen sind durch Schamgefühle geschützt. Man schämt sich seiner selbst und trügt sich in ein konformes Korsett des Wohlbetragens innerhalb der Grenzen seiner sozialen Bindungen. Und gerade dies weist auf die Struktur des Eigenwertgefühls, welches vom Netz der Sozialbindungen getragen ist. Eine schöne, wenn auch ironische Illustration zum Thema, gibt das Musical von A.J. Lerner "My Fair Lady"
, das auf G.B. Shaw's Pygmalion
fusst, in einer sehr gelungenen, deutschsprachigen Version. Mit beschwingter Leichtigkeit bringt es eine Kulturanalyse des Sprachgebrauchs vor ein Publikum, das Zerstreuung sucht und, selbst ohne es zu wollen oder zu ahnen, unterschwellige Unterrichtung findet. Die leichte Muse ist oft nicht so leicht, wie sie genommen wird.
Jedes singuläre Ich ist im Sozial-Ich eingebettet, wie ein Dotter im Ei. Die Struktur dieses Wechselspiels im sozialen Beziehungsnetz, ist im Aufbau der Personalpronomina auch sprachlich gegeben. Ich wird fassbar in seiner Beziehung zum Du und stellt so die Zelle dar, welche zwar die Singularität zeichnet, aber dieselbe gleichzeitig in den Plural, in das Wir überführt. Das Wir ist jedoch bereits dehnbar, je nach den Geltungsbereichen jeglicher, auch sektorieller Gemeinsamkeit. Das Wir steht dem Ihr gegenüber, das aus der direkten Polarisierung alle anderen ausgrenzt. Diese inneren Grenzen der Bindungskreise sind durch latente bis akute Erfahrungen gezeichnet, weil sie mit den Intimgefühlen identisch sind.
So kommt es, dass ein Wirgefühl als verstärktes Ichgefühl auftritt, was durch jede Massenbewegung sichtbar wird. Massenpsychosen sind Extremerscheinungen dieser Struktur der Identität. Wir erfahren uns an den Grenzen unserer vermeintlichen Einzigartigkeit, und jede Grenze ist auch eine Verteidigungslinie. Es ist eine normale Funktion, andere immer dann als auswärtig bzw. als nicht zugehörig zu sehen, wenn es um einen Standpunkt geht, der gleichsam als Territorium des sozialen Inkreises und seiner Funktionen empfunden wird. Die Struktur der Identität lässt sich also leicht graphisch in konzentrischen Kreisen
veranschaulichen. Wir gehen davon aus, dass es sich um eine syntaktische Universalie handelt. Systematische Untersuchungen dazu stehen jedoch noch aus.
Es war von "innerer Bedeutung", wenn eine Durchlaucht den Majestätsplural (Inkreis) im direkten Kontakt mit Untergeordneten anwandte, indem sie (die Durchlaucht) solche mit der dritten Person singular (Auskreis) bedachte.
Den Gegensatz dazu bildet der Bescheidenheitsplural, wenn die Kontaktperson in den Inkreis des Sprachführenden als gleichwertig einbezogen wird. Auch die Höflichkeitsform dritte Person plural bezeichnet den Abstand zwischen Inkreis und Auskreis, durch den es keine direkte (eventuell feindliche) Berührung gibt, der aber dem Gegenüber den Plural, des als bedeutungsvoll Gewichteten, zuerkennt. Ortsspezifisch anders ist die traditionelle Höflichkeitssituation im Idiom des oberen Aaregebietes des Aargaus, Solothurns und des Bernbiets. Hier gilt die zweite Person plural in der Anrede, als der Person des nahen Auskreises, mit der eine "Begegnung", gewissermassen als ein Akt der Sozialisierung, stattfindet. Grenzen sind Verteidigungslinien, die zur Ausdehung reizen, falls Artfremde in den eigenen Identitätskreis, aus welchen Gründen auch immer, nicht einbezogen werden können. Die zentripetalen Kräfte des Selbstwertanspruchs verlangen das Bekenntnis der Zugehörigkeit. Wer ein solches nicht erbringt, wird ausgegrenzt. Inkreis und Auskreis der Kollektivdynamik können so ständig sichtbar gehalten werden. Ein sozialer Inkreis scheint auch erst dann dauerhaft zu sein, wenn er durch Ausgrenzungen Einzelner seine Gültigkeit im eigenen Geltungsbereich beweisen kann. Ausgrenzungen verstärken zudem die inneren Bindungen jedes Sozialkreises. Die zahmste und gängigste Methode der Einvernahme anderer, ist die Missionierung durch Überzeugungsarbeit, die bei einem Misserfolg jedoch leicht in offene Agressionen umschlägt, das heisst zwangsläufig progrediert, denn es handelt sich um die naturgesetzliche Platzbehauptung als einer Funktion der Lebenstüchtigkeit. Die ja zu erwartende Durchbrechung der Vernunftkontrolle seitens der latent aktionsbereiten Triebkräfte (Es versus Ich) des Sozial-Es, erstaunt nicht so sehr wie die Illusion, dass dieses Instinktpotential aus demselben Leben verschwinden könnte, das es darstellt. Es ist sinnlos zu meinen, der Mensch sei selbstlos, anstatt damit zu rechnen, dass der Selbsterhaltungstrieb auf mannigfache Weise sein Recht einfordert, und besonders dann eruptiv auszubrechen pflegt, wenn er für lange Zeit negiert wurde. Das Selbst
hat auch eine kollektive Dimension in Ausdehnungskreisen, die mit den Identifikationsbereichen deckungsgleich sind. Familieninteressen, Berufs- und Standesansprüche, Herkunfts- und Territorialrechte, ererbte und erworbene Vorrechte, Sippenstolz und Kulturanmassung, ethnische Ueberheblichkeit und kirchturmpolitische Vorteile, Sprachgemeinschaft und Nationalstolz, können solche scharf abgegrenzte Identifikationsbereiche sein. Sie haben immer eine zentripetale Verankerung bei zentrifugaler Aktivität.
Die naturgegebenen Merkmale dieser Dynamik sind durch das auf ein Du ausgerichtete Ich gegeben, welche zusammen eine Familie gründen und gemeinsam auch in ihren Sippen verwurzelt sind. Die Sippen gehören zu einem Stamm, und der Stamm zu einem Volk. Die Völker verstehen sich als Nationen, wozu sich unterschiedliche Kulturen zusammenfinden können, sofern sie ein für alle Beteiligten gleichermassen gültiges Bindungsmotiv haben.
Diese Kreisanordung sehen wir auch in der funktionsgerechten Architektur, zum Beispiel beim Sitzungssaal des Weltsicherheitsrates der UNO, wo es zu einem inneren und einem äusseren noch einen äussersten Kreis der Mitglieder und den Auskreis für Beobachter gibt. Die Anordnung entspricht der Funktion. Es sind alle gleich, aber je mehr beim Zentrum, umso gleicher sind sie, am gleichesten sind sich die ständigen Mitglieder des Rates. Niemanden scheint dieses grammatische Unding ungleicher Gleichheit zu stören, weil es ohne Steigerung und Gefälle keine Ordnung gibt, um die es ja geht, und nicht etwa um Gleichheit. Das einigende Motiv für alle ist die
UNO-Charta (so lange man an sie glaubt). In der hohen Zeit des grössten Vertrauens in diese Organisation, kann sie sich die unsinnigsten Anordungen und Erklärungen leisten. Sie lassen sich durchsetzen wie Wasser für Wein bei der Hochzeit zu Kana
. Selbst Verbote für unerlaubte Meinungen werden weltweit verbindlich, bei gleichzeitiger Behauptung des Rechts auf freie Meinungsäusserung. Menschenrechte werden erklärt und genommen, wie Launen der Natur. Wer es wagt, etwas anderes zu denken, muss den Bannstrahl der Organisation fürchten, solange sie mächtig genug ist, eine Meinung verbindlich vorschreiben zu können. Macht hat aber die Tendenz, selbsttätig zu werden, sich durchzusetzen, selbst wenn Mitglieder des inneren Entscheidungskreises in den Auskreis (Ausstand) treten. Wenn ein Teil der Organisation nicht mitprügeln mag, wird trotzdem geprügelt durch den, der den Prügel in der Hand hat. Dann schadet nicht einmal eine Umkehrung der Symbolik der Funktion, wenn zum Beispiel ein Phallus als drohender Prügel, statt eines Prügels als Phallus gezeigt wird. Wie anders wäre sonst die Penisexhibition
im Weissen Haus und ihr politischer Erfolg in den USA mit der Strafexpedition im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in Serbien in Einklang zu bringen? Das ist eine Anekdote, zu der das heute so übliche Psychologisieren verführt, um eine weltgeschichtliche Episode zu persiflieren.
Diskussion: Nihil Ex Nihilo - Diskussion: Babylonische Verwirrung - Diskussion: Freiheit