Diskussion

Handfeste Unterschiede

Die Sehnsucht nach einem Himmel der Glückseligkeit auf Erden in einem Weltreich Gottes hat zur Folge, dass sich immerwieder einige politische Schwachköpfe für Gott halten und dieses Gottesreich auch gründen wollen. Sie streben die Weltherrschaft an und haben dann ein Gefolge, das sich für die himmlische Heerschar hält. Hier nur die Al-Kaida Osamabin Ladens anzusiedeln, wäre zu kurz gegriffen. Auch dessen rhetorischer Gegenspieler sprach von einem Kreuzzug und bot zum (Jüngsten) Gericht auf, die Schafe von den Böcken trennend, die Guten von den Schurken, und also sprechend: "Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns!" Dieses globale Reich, mit der einzig möglichen guten Regierung, wäre immerhin auch dann, wenn sich das Gute als solches definieren liesse, ein Reich der Rechthaber. Wir kämen uns alle darin sehr verloren vor, denn wir sähen weder das Ende, noch eine Grenze dessen, was uns plagt. Heimat haben wir nur in den Grenzen unserer Sinnhaftigkeit, in dem, was wir erfassen und erfüllen können. Darüber hinaus erfreuen wir uns der Nachbarn, deren Heimat wir deshalb anerkennen, weil wir wissen, welches die unsere ist. Substanzlose Nachbarschaft wäre ein Nichts. Vielleicht ist es uns deshalb in der Unendlichkeit ungemütlich, und vielleicht kehren wir deshalb nach unseren weiträumigen Ausflügen nach Hause zurück, damit wir denen, die dort geblieben waren, von der Ferne berichten können; denn dann sind wir wer! Zu denken, es könne eine menschenwürdige Welt ohne Grenzen geben, ist nur ein irrealer Traum und nicht einmal ein schöner. Das Weltforum UNO wird uns die Heimat nicht ersetzen, unseren Gartenzaun, der die Rabatten umschliesst, die wir hegen und pflegen dürfen, ohne dass uns ein Ukas zur Grenzenlosigkeit der Freude, einen Strich durch das Anwesen macht.

Selbstverständlich sind für das Eingebundensein in die Wechselwirkungen grosser Kulturräume auch Aufwendungen nötig. Der Beitritt zur Europäischen Union würde heissen, dass das ohnehin nur bedingt freie Entscheidungsrecht aufzugeben sei, um sich einem (tendenziell autoritären) zentralistisch gelenkten Grossstaat einzugliedern. Bilaterale Lösungen haben jedenfalls den Vorteil, dass auch ein Kleinstaat in seiner Souveränität wahrgenommen wird, dass er von gleich zu gleich mit den grösseren Nachbarn bei freier Entscheidungswahl Beachtung findet, also einen Status geniesst, der mit dem endgültigen Anschluss unter dem Übergewicht der proportionalen Bevölkerungsmassen im Grossraum verloren ginge.
Systematisch wurde in den letzten zwei Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts in der Schweiz nach Sachabstimmungen das Volksmehr durch Regierungsentscheide, die nicht dem Plebiszit unterstanden, unterlaufen, und anderen Entscheiden durch internationale Verpflichtungen vorgegriffen. Eine "Aktion für freie Meinungsbildung"Herausgeber: Aktion für freie Meinungsbildung, Die Staatskasse als Beute, Zürich 2000 gab eine Broschüre mit dem bezeichnenden Titel "Die Staatskasse als Beute" heraus, wo sie auf 60 Seiten die, parlamentarisch teils nicht abgesegneten, Subventionen des Bundes auflistet. Ihre Zahlen entnahm sie der Staatsrechnung von 1998 und dem Budget 1999. Es sind allerdings auch die durch Volksentscheide sanktionierten Beiträge dabei. Die happigen "freien" Pfründe an internationale Institutionen, denen die Eidgenossen bisher nicht beitreten wollten, fallen jedoch auf. Jetzt aber (2002) wird von der "Obrigkeit" argumentiert, dass die Schweiz ja schon Beiträge leiste, und durch einen Beitritt nur unwesentliche 14 % Mehrkosten hätteStamm Rudolf  , Die UNO auf dem Weg zu mehr Effizienz, Geringe Mehrkosten eines Schweizer     Beitritts, NZZ Nr. 89, Zürich 2001 . So zahlte der Bundesrat an die Verwaltungskosten der Vereinten Nationen (ohne bisher Mitglied zu sein) schon jährlich CHF 59'441'431.--; an das Umweltprogramm der UNO CHF 3'906'500.--; an allgemeinen Beiträgen an internationale Organisationen CHF 163'933'500.--; an die Entwicklungszusammenarbeit CHF 464'557'709.--; an humanitäre Aktionen CHF 125'816'354.und so weiter und so fort, die Liste ist lang und schwergewichtig. Es kommen Milliardenbeträge zusammen.
Diese Taktik war erfolgreich. Sie wurde am 3. März 2002 durch das Stimmvolk sanktioniert.
Allerdings bedeutet der UNO-Beitritt nicht die Aufhebung der Eigenstaatlichkeit. Es ist ein Vertrag auf Gegenseitigkeit, mit der Tendenz zur internationalen Nivellierung der Volksrechte und der Reglementation zwischenstaatlicher Umgangsformen, in einem dazu paradoxen Vierklassensystem.
Das entscheidende, oberste Organ, ist der Weltsicherheitsrat, der 15 Mitglieder umfasst. Davon bilden die fünf feststehenden Grossmächte USA, Russland, Grossbritannien, Frankreich und China die 1. Klasse. Das waren die Siegermächte von 1945, die sich selbst auf immer erwählten, auch wenn ihre inneren Konstitutionen umbrechen sollten, die einen von der imperialen Diktatur zur relativen Demokratie (Sowjetunion zu Russland) die anderen von der relativen Demokratie zur imperialen Diktatur Kuomintang (Formosa) zum Kommunismus (Festland) mutierend.
Daneben gibt es die zehn auf Zeit gewählten Mitglieder minderen Rechts, das heisst ohne Vetobefugnis der 2. Klasse, der einstigen Mitsieger, die in letzter Minute des grossen Krieges der Allianz beigetreten waren.
Die 3. Klasse besteht aus der Masse der nicht auserwählten Teile der UNO-Vollversammlung, wo nun einige wenige Schweizer mitpalavern werden, aber nicht mitentscheiden dürfen. Letzteres ist nur der vollberechtigten 1. Klasse, kraft ihre Vetorechts vorbehalten.
Schliesslich gibt es noch eine Feindstaatenklausel, betreffend die unbotmässigen Länder der Völkergemeinschaft, als 4. Klasse, gegen welche laut Statut, die Erstklassigen die gesamte UNO-Gefolgschaft, nach dem Motto: "Wenige befehlen, alle müssen dran glauben!" aufbieten können.
Die Schweiz darf sich jetzt ihrer drittklassigen Mitgliedschaft erfreuen und sicher sein, dass sie der Viertklassigkeit entstiegen ist, sofern sie ihre Demokratienormen auf Unostandart hält und keine Eigenwege geht.
Dienen und bezahlen müssen alle, und daran waren die Schweizer auch schon vor dem Volksentscheid vom 3. März über Gebühr, und teils gegen den Willen des Volkes, beteiligt. Dafür werden ihnen nun einige Hoheitsrechte von sechs Komitees und anderen Organen, und vom Sekretariat der Vereinten Nationen abgenommen. Für etliche Sachfragen ist damit das Schweizerische Initiativ- und Referendumsrecht der Stimmbürger durch internationale Verträge unterlaufen. Das trifft zwar nur die, ihrer Rechte auch bewusste Minderheit, denn die Mehrheit der Bürger machte ohnehin nur selten von ihren direkten Volksrechten Gebrauch.
Der Gesamtbundesrat verkaufte uns vor der Abstimmung das Mogelpaket als "Mitsprachegewinn".
Bundesrat DeissDeiss   Joseph, Bundesrat (Aussenminister), Zürcher Rede vom 29. Mai in der Aula der Universität      Zürich 2000 kam dabei als grosser Public Relation Manager heraus. Er hatte bereits am 29. Mai 2000, eine Woche nach dem Ja des Souveräns zu den wenig vorteilhaften, die Volksrechte einengenden, Verträgen mit der Europäischen Union erklärt: "Zeitlich vordringlich und reif ist nun der Beitritt zur UNO. Diesen wollen wir bis im Jahr 2002 schaffen." Das ist gelungen. Die Babylonische Sprachverdrehung hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Es bleibt abzuwarten, ob Deiss sich nun auch noch als Prophet erweisen wird, denn er sagte noch: "Der Beitritt zur Europäischen Union ist und bleibt das Ziel des Bundesrates."

Besagtes Weltforum UNO begünstigt durch seine Struktur das Faustrecht. Ein himmeltrauriges Beispiel der Aktualität des beginnenden Jahrtausends bietet der Bruderzwist der Kinder Abrahams auf dem geschichtsreichen Boden Palästinas. Die UNO-Resolutionen 242 und 338, die Teilung des Landes betreffend, werden durch den, von der vetoberechtigten Grossmacht USA protegierten, militärisch weit überlegenen Nutzniesser, schlicht ignoriert. Anders als im Balkankonflikt des ausgehenden 20. Jahrhunderts, fallen keine Bomben auf einen "expandierenden Agressor", wie die offizielle Lesart der gleichgeschalteten Weltpresse im Falle des Balkans es zu sehen empfahl. Der, mittels einer faschistischen Siedlungspolitik in die angrenzenden Ländereien expandierende Kraftprotz am Ostufer des Mittelmeeres, wurde nicht zurückgebunden. Die USA gefiel sich in der Rolle des Vermittlers, wo nichts zu vermitteln, sondern nur zu befolgen wäre.
Wiederholt hatte die ständig gedemütigte, angestammte Bevölkerung des Gazastreifens und der Westbank der Jordansenke nach internationalen UNO-Beobachtern verlangt, wogegen sich Israel, mit Unterstützung der Vetomacht USA, stets schroff sperrte. Seit September 2001 und während den ersten drei Monaten 2002 besuchte Premier Sharon mehrmals den amerikanischen Präsidenten, welcher den direkten Kontakt mit dem Palästinenserpräsidenten erklärtermassen ablehnte, bis dass dieser die Forderungen des ersteren erfüllt haben werde! Gleichzeitig brach die militärische Grossaktion los, die den Sündenbock Yasir Arafat de facto gefangensetzte und isolierte. Wird die geographische Ausgangssituation zu diesem Gewaltakt in Betracht gezogen, so ist aus dem Kartenmaterial ersichtlich, dass das durch die UNO den Palästinensern zugesprochene Land schon ghettoisiert war, bevor die, durch "General" Sharon, mit seinem Tempelspaziergang provozierte Intifada ausbrach. Zum 4. April 2002 hielt endlich George W. Bush junior, Präsident der Vereinigten Staaten, eine Rede, die weitherum als politischer Kurswechsel interpretiert wurde; aber Bush trieb den Ministerpräsidenten Israels verklausuliert lediglich zur Eile, die Zerstörung der Infrastuktur palästinensischer Siedlungen zu vollenden. Die Fristerstreckung für Sharon könnte auch durch das Reiseprogramm des höchsten Krisendiplomaten der USA, Aussenminister Powell, angenommen werden, der wohl ein Treffen mit Arafat ins Auge fasste, aber erst für den 12. April und zwar abhängig von der Erlaubnis durch den israelischen Premier. Folgerichtig ging die Kriegsaktion mit schwerem Gerät und aus der Luft noch hastiger weiter. Stereotyp wiederholten Bush, wie auch sein Aussenminister Powell, die von Sharon vorgegebene Standardformel, dass der (isolierte!) Palästinenserpräsident nicht genug täte, um den Terror (der Verzweiflungstäter) zu unterbinden. Am 14. April war es denn, nach Absprache mit Sharon, endlich so weit, dass Powell auch Arafat traf. Die Zerstörungsorgie der Soldateska konnte weiterhin toben und trotz eines humanen Appells des Generalsekretärs der UNO Kofi Annan, stellte sich am 18. April Bush wie gewohnt, weiterhin hinter Sharon.
Die aufeinander abgestimmt erscheinenden Strategien Israels und der USA hatten am 2. Mai 2002 aller Welt die UNO samt ihrem Sicherheitsrat, als blossen Popanz vorgeführt, indem die beschlossene und bereits zusammengestellte UNO-Kommission zur Untersuchung der blutigen Vorgänge, während der gewalttätigen Aktion mächtiger, israelischer Panzertruppen, im Palästinenserflüchtlingslager Jenin, sang und klanglos wieder aufgelöst wurde, "weil Israel ihr die Einreise verweigerte".
Gleichentags hat der USA-Kongress die Resolution gefasst, die Politik Israels ohne Vorbehalte zu unterstützen.
Ausserdem wurde für den Sommer 2002 eine Konferenz der "Grossen" vorgemerkt, die dann Wege suchen solle, wie das Nahostproblem gelöst werden könne. (Israel hat in der Zwischenzeit freie Hand, sein Werk in den Trümmern Palästinas fortzuführen). Im gleichen Atemzug jener Ankündigung, ermahnte Präsident Bush den gedemütigten Palastinenserpräsidenten, nun aber zu beweisen, dass er führen könne!
Die hohe Politik der UNO-Arena ist damit offenbar zum Zirkus höhnischer Triumphatoren gediehen.

Die Indizien lassen eine strategische Absprache zwischen Sharon und Bush zur Liquidierung der palästinensischen Identität vermuten. Mit dem verbalen Deckmantel "Terrorbekämpfung", dürfte es sich um die orale Rechtfertigung geplanter Racheaktionen handeln.
Die üblen diplomatischen Spiele und die sichtbaren Grausamkeiten gegen Leib, Gut und Leben, überdecken das delikate Detail, dass Israel der einzige rassisch-demokratisch definierte und zivilisiert erscheinende Staat ist, der die Folter, bis September 1999 gesetzgeberisch geordnet, erlaubte. Dieser Aspekt liess die Kamikazeaktionen der Palästinenser nicht nur als verzweifelte Verteidigungstaktik, sondern geradezu als gebotenen Selbstschutz der Täterschaft dastehen. Freilich ist der Terror, der damit ausgeübt wird, unbeschreiblich grausam, aber die Täter sehen sich selbst unverschuldet als Opfer und können einseitiges Bedauern nur als weitere Rechtfertigung ihres Handelns begreifen.

Rache ist ein Durst, ein nur durch entsprechendes Tun stillbares, gleichsam physisches Urbedürfnis. Die Geschichte eines Rachedurstes beginnt mit dem Kettenglied, das aus einer langen Abfolge herausgegriffen wird. Rache, als aktueller Status Israels, antwortet also auf eine Reihe von Selbstmordattentaten, die das zivile Leben im gesamten Lande unsicher machten. Zweifellos sind die zu Tode zerfleischten Menschen zu betrauern. Es sind Opfer eines schrecklichen Terrors. Mitfühlbar ist auch die Wut, die darauf antwortet und die Rache, die über die empfundene Ohnmacht obsiegt, welche eine solche alltägliche Bedrohung begleitet. Aber eben, das herausgegriffene Glied der Aktions-Reaktionskette löst das Rätsel des Verhängnisses nicht. Die Palästinenser kennen einen anderen Beginn der Geschichte. Sie haben nicht nur grosse Teile ihres angestammten Siedlungsgebietes verloren. Die nun seit über fünfzig Jahren in Flüchtlingslager gedrängten Vertriebenen verblieben mit ihren Kindern und Kindeskindern dort. Das Restland ist von Besatzern durchsetzt und zwangsweise Fremdsiedlern geöffnet. Ihr Ackerland wurde von Strassen durchschnitten, die diesen Fremden vorbehalten sind. Die Existenzbedingungen der autochthonen Bevölkerung sind eingeengt, und sie sehen keinen Schimmer einer Änderung ihres so gezeichneten Unglücks. Ständige Demütigungen durch fanatische jüdische Siedler sind für die Palästinenser unerträglich. Sie haben keine Aussicht auf eine andere Zukunft und sehen nur noch einen Ausweg in der Selbstopferung. Andere mit sich in den Tod reissen, auch wenn es sich um anonyme, wahrscheinlich sympathische und friedliche Einzelpersonen handelt, scheint zudem das einzige Mittel, das Selbstopfer bekannt zu machen, damit der Tod wenigstens diesen einen Sinn, den der Sensationsnachricht bekommt. Vergessenwerden , unter diesem Schleier haben die Palästinenser schon lang vegetiert, und der eigene Tod soll sie wenigstens für Augenblicke aus der Vergessenheit reissen. Die Mittel in diesem ungleichen Kampf sind so verschieden, dass es schwer fällt, beider Seiten Elend gleich zu würdigen. Sicher ist nur, dass Racheaktionen die Probleme nicht lösen, sondern nur bezeugen können.

Wir haben es nicht mit einem Rassenkonflikt auf Tod und Verderben zwischen Pseudogermanen und Semiten zu tun, sondern mit einem semitischen Bruderkrieg. Es ist sicher nicht gut das zu tun, was gemäss der Überlieferung am Treiben der weiland politischen Kampfstaffeln Hitlers als gnadenlos sadistisch, barbarisch und mörderisch verabscheut und vermarktet wurde.
Es handelt sich nicht um rassische Qualitäten die sich hier auftun, sondern um mit perfektionierter Mechanik aufgerührten sadistischen Urschlamm.
Die UNO-Resolutionen, die Israel zur Mässigung aufriefen, wurden zu begleitenden Sprüchen im Bühnenaufzug eines Dramas degradiert, in dem der starke Faustkämpfer dafür Beifall erntete, dass er den verröchelnden Miesling peinigte. Das sind Reaktionen primitiver, soziopathischer Impulse, einer Art Schadenfreude. Da werden Verzweiflungsakte grundsätzlich als ungehorsame Böswilligkeit, als verwerfliche Charakterschwäche verurteilt, wenn jemand seiner eigenen Schwäche erliegt.
Der israelische Publizist Amos OzOz  , Amos: Zwei palästinensisch-israelische Kriege. In: NZZ Nr. 77. Zürich 2002. rief dazu auf, den legitimen Kampf der Palästinenser um einen eigenen Staat, vom islamischen Fanatikerkrieg gegen Israel zu unterscheiden. Er fürchtet, dass der Vernichtungsfeldzug Sharons zur weltweiten Ächtung der Judenheit führen könnte. HINC ILLAE LACRIMAETerenz  , Andria I 1,99: Daher die Tränen.. Es muss mit Nachdruck angemerkt werden, dass die jetzige Staatspolitik des Medinet Israel nicht mit dem ethischen Judentum identisch ist. Die moralischen Anforderungen des Judaismus sind sehr hoch und stehen im diametralen Gegensatz zum aktuellen politischen Gebaren der Mehrheit des Staatsvolkes, das aus der jüdischen Ethik in die Barbarei zurückfiel.
Der "Sharonismus" beleidigt die Thora und ist damit antijüdisch. Eigene Missetaten können nicht damit gerechtfertigt werden, dass die Vorfahren Opfer eben solcher Brutalitäten waren. Es sind Personen die den Frontwechsel vollziehen, nicht die Werte. Die Nachkommen der Auserwählten des Zufalls, welche die Shoah überlebten, können sich zwar auf deren Peiniger berufen wenn sie es denen gleichtun, aber um den Preis des Verrats an den Shoahopfern.
Dabei können die Erfolgsbilanzen der terroristischen Qualitäten einstiger zionistischer Organisationen, wie Irgum, Lechi, Stern, Hagana und Palmach von 1947, samt den Fertigkeiten des Mosad, nicht mit denen der palästinensischen Intifada-Brigaden der Fatah, des Jihad, Kassam, Aksa und Kuds samt Hamas von 2002, aufgerechnet werden. Premier Sharon hat jedoch mit seiner Gewaltpolitik zur Demütigung des von ihm gehassten Brudervolkes in Palästina, keine neue Kategorie eingeführt. Obwohl rassisch doktrinär, ist der Sharonismus nicht identisch mit dem historischen Hitlerismus, der zwar gewalttätig, aber wenig intelligent gewesen war, und endlich auch, zum Glück der Folgegenerationen, unterlag. Nun dient sein Katafalk zur Rechtfertigung für alles, was als Abgeltung einstiger Greuel eingefordert werden kann, aber rein gar nichts davon vergilt. Der Sharonismus ist auf Dauer über seinen Urheber hinaus angelegt und brilliert durch die perfekt durchorganisierte Public Relations, durch seine Dialektik und die, auf solide Kenntnis sozialpsychologischer Prozesse (von denen einige hier aufgeschlüsselt sind) aufgebaute, suggestive Führung labiler Massen. Dabei zählt der sich autogen rechtfertigende Erfolg als Indikator. Er wird durch die Dauerhaftigkeit schliesslich den Realitätswert seiner hypothetischen Vorgaben beweisen (oder widerlegen), und dies völlig unbefangen von der uns hier unterlaufenen, moralisierenden Exegese.
Während der sinnlichen Aufnahme einer Tatfolge, geschieht bereits eine Selektion, das heisst eine Wertung, welche durch die emotionale Beteiligung bestimmt ist, von der die Natur der Engrammierung abhängt. Das bedeutet, dass wir nolens volens moralisieren, solange wir im sinnlichen Aufnahmeverlauf stehen, und erst dann zum objektiven Tathergang finden, wenn ein Zeitabstand uns eine weniger befangene Nachsichtung erlaubt. Dichte Inkreisgeschlossenheit, die sich durch eine deutliche, kollektive Tatdynamik offenbart, führt dazu diese, zumeist stereotypen Handlungsweisen, mit dem Suffix "Ismus" zu versehen. So werden Ideologien zu solchen "Ismen", wie beispielsweise der Kommunismus, der Nationalismus, Zionismus, Zentralismus, Anarchismus, Panslavismus, Faschismus, Sozialismus, Chauvinismus und so fort. Bestimmte Überzeugungen, die als Inkreisbindungsmotive kenntlich sind, werden personifiziert, das heisst durch Galionsfiguren verkörpert, und bekommen dann als Doktrin deren Namen, wie zum Beispiel Stalinismus, Leninismus, Hitlerismus, Trotzkismus und nun auch Sharonismus, welcher die Doktrin der Brachialgewalt in die Metapher "Defensive Shield" (Schutzwall) kleidet, um die Begriffskonversion seiner brutalen Expansion in eine Selbstschutzhandlung zu bewirken. Diese Wendung wird zur political correctness werden, sofern die Protektion des Weltpolizisten USA sie schützt. Macht ist der entscheidende Faktor. Es stimmt nicht, dass Israel unter Sharon ein Anhängsel der Vereinigten Staaten von Nordamerika unter Bush sei. Es ist umgekehrt, indem Sharon sich uneingeschränkt des durchschnittlichen Kulturniveaus der Bushadministration der USA bedienen kann. Je mehr Macht hinter einer Doktrin steht, umso eher wird sie durch Personifizierung und "Ismus" ausgezeichnet. Von einem Milosevicismus war bisher nicht die Rede, was bedeuten könnte, dass das Drama um Jugoslawien im letzten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts im Vergleich eher belanglos war, obwohl die Galionsfigur Milosevic in die selbe Gallerie der schon genannten Chauvinisten gehört. Serbiens Reserven reichten jedoch nicht aus, um dessen persönlichen Ismus zu markieren.

Doch kehren wir zum schon bemängelten Moralisieren zurück, weil genau dieses den bleibenden Eindruck färbt.
Aus der brutalen Realität ragt die hohe Moral des Yesh Gvul = es gibt eine Grenze! hervor. Diese Gruppierung patriotischer Dienstleistender verweigert die Teilnahme an militärischen, sogenannten "Strafaktionen" gegen jede Zivilbevölkerung, deren Kultur und Lebensgrundlagen, wie sie der Sharonismus betreibt. Soldaten aller Mannschafts- und Offiziersränge der israelischen Armee waren schon 1982 zum Problem der Sharonistischen Strategie im Libanon geworden und sind es, ihrer numerischen Grösse wegen, angesichts der unsäglichen Racheaktionen militärischer Fanatiker in Palästina erst recht. Dieser Mut wandelt die zaghafte Hoffnung auf kultivierte Menschlichkeit in Optimismus, stärkt ihn zur Zuversicht, dass die endogene Evolution des Menschwerdens durch Kultur nicht nur ein Wunschtraum bleibt. Yesh Gvul = es gibt eine Grenze! ist die wahre Freude der Thora und damit die berechtigte Hoffnung auf die Zukunft einer Zivilisation jenseits der bestialischen Instinkte aus den Urgründen des Seins.

Wer wegen einer Notlage etwas entwendet hat, was anderen gehörte, sollte wenigstens so viel zurückerstatten, dass die Betrogenen nicht ihrerseits in Not geraten. Ein Vernichtungsfeldzug ist keine Friedensvorgabe und bewahrt gerade im Siegestaumel den, in gespreiztes Heldengetue gekleideten Hass.
Nun siegen sie wieder, diese Helden.
Für Kulturkreise mit hohem gemeinschaftlichem Freiheitsgut, ist das Heldenhafte einer Soldateska mit dem Gehabe von Kampfmaschinen etwas, das aus den dunklen Niederungen der Raubtierhaftigkeit der menschlichen Urnatur aufsteigt. Deren Rechtfertigungen sind sämtlich unwahr, weil sie das Feindschaftsprinzip vertreten und auf ein einseitig begünstigendes Recht setzen. Schlussendlich ernten jedoch die Sieger eine Zustimmung die so viel Wert hat, wie das Lämmerblöken der verschont Gebliebenen nach dem Blutrausch der Wölfe.
Katastrophisch wird es leicht, wenn sich relative Massen in einem Führer verwirklicht sehen, das heisst sich mit dem identifizieren, was dieser ihnen verheisst. Dann geraten die Zwischenglieder der hierarchischen Struktur ausser Funktion, und es entsteht der hypnotoide massenpsychotische Zustand, der die Völker ins Verderben reisst. Im semitischen Bruderkrieg befinden sich Israeli wie Palästinenser in eben einer solchen Situation, brüderlich entzweit wie Kain und Abel, verkörpert durch ihre Führer Sharon und Arafat.

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Das Thema "handfeste Unterschiede" ist umfangreich und gewiss nicht nur auf die grosse, dramatische, internationale Machtpolitik beschränkt.
Mindestens so hautnah wie die parteiische Anteilnahme für die Opfer durch Naturkatastrophen, oder gar die Blutopfer infolge von Willkür, Terror und Krieg, sind die eigenen Lebensumstände im engeren Sozialbereich.
Handfeste Unterschiede finden sich besonders in materiellen Kategorien, beispielsweise bei Besoldungen. Es sollte angenommen werden können, dass die Mitglieder einer politischen Partei annähernd gleichen Standes (sozialer Inkreis) seien. Dem ist nicht so.
Die Bedürftigkeit zehrt vom Glanze des Glorienscheins, den sie dem Privilegierten verleiht, mit dem sie sich, ihre eigene Mangelhaftigkeit kompensierend, identifiziert.
Die Menge der Benachteiligten gibt ihre Stimme dem Erfolg, um sich des Machtgefühls ihrer Vielzahl zu versichern, etwa gemäss der Triumphformel: Einer von den Unseren hat es geschafft!
Die Partei der sozial Benachteiligten weist die grössten Einkommensunterschiede unter ihren Mitgliedern aus. In der Schweiz gehen sie vom Sozialhilfeempfänger bis zum Einkommenskrösus. Ein von den Gewerkschaften gefordertes, aber noch nicht erreichtes Mindestjahressalär von CHF 36'000.-- steht 2001 dem Spitzensold von CHF 750'000.-- bei der Post und Bahn (zwei Betriebe mit Leistungsauftrag in öffentlichen Diensten, die durch Steuergelder mitfinanziert werden) gegenüber. Die Partei ist an der Regierung beteiligt. Es ist zu vermuten, dass das Bekenntnis des Spitzenverdieners zu derselben, karrierefördernd war. Er wurde zum Generaldiektor der Bahn noch als Bundesbeamter berufen, der gemäss der Besoldungsklassenskala Anrecht auf das Spitzenjahressalär von CHF 320'626.-- hatte. Nach der Deregulierung (Umwandlung des Staatsbetriebes in eine AG) verdoppelte der Verwaltungsrat die Gage (nach Massgabe der Börsenkurse) auf CHF 750'000.--. Dem zweifellos tüchtigen Manager war das denn doch zu viel. Er erklärte öffentlich, sich mit CHF 600'000.-- bescheiden zu wollen, was ihm dennoch gegenüber seinen weniger vom Glück gesegneten Genossen, peinlich sei. Das war eine unter Glücksrittern viel belächelte Offenbarung, aber versöhnte die Benachteiligten.
Falls jedoch bestens verdienende Genossen meinen sollten, dass ihre Basismitglieder so dumm seien, ihre Einkommen nicht zu vergleichen, wäre das allerdings ein Beispiel von Überheblichkeit. Die Wahrheit des politischen Bekenntnisses wird an den Gegensätzen gemessen, die sich in der Wirklichkeit (den Gehältern) des sozialen Status zeigen. Diese Unterschiede müssen den Benachteiligten schlüssig, in ihrem Idiom, erklärt werden, und es soll ja Sprachvirtuosen geben, die sich das zutrauen.
Der Verwaltungsratspräsident der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB)Lalive   d'Epinay Thierry, Rede vom 24.03.2001 vor dem Verband Schweizer Lokomotivführer      (VSLF), Bern 2001 , tat dies an der Jubiliäumsversammlung 100 Jahre Verband Schweizer Lokomotivführer (VSLF) mit den Worten: "Ihr habt Anspruch auf die besten Chefs! Und die tun das nicht mehr nur aus Idealismus, sondern um Geld!" War das nun gekonnt, oder Chuzpe? Ein Leistungsunterschied, wie der solcher Gehälter, ist unmöglich, welcher Arbeit es auch sei. Der Unterschied soll sich aus der (freilich undefinierten) Fülle der Verantwortung ergeben.
Werden Basislohnempfänger sich nun freuen, dass an ihren Arbeitsplätzen die "besten " Manager rütteln, um die Löhne tief zu halten, damit die Bahn mit ihren Tarifen gegenüber der Strasse konkurrenzfähig bleibt? Sie werden sich freuen, aber nicht daran, sondern am Triumph, dass einige von ihnen es geschafft haben, und ermutigt sein, entsprechende Lohnforderungen zu stellen. Beifall ist ein Plusquam-Effekt des Vorteils.
Auf eine, die Spitzengehälter betreffende parlamentarische Interpellation, antwortete der Bundesrat, dass solche Spitzenlöhne der Kader der einstigen Bundesregiebetriebe gerecht seien, weil im internationalen Vergleich ählicher Kategorien, diese eher noch im Minimalbereich lägenBundesratserklärung vom 05.06.2001, NZZ, Zürich 06.06.2001.


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