Reisetagebuch von Susanne
Witschi-Klotz Teil 1
Reisetage 1, 2, 3
und 4: Flug
nach, und Aufenthalt in Moskau
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In aller Herrgottsfrühe kommt
das Taxi, um uns und unsere vier riesigen Rucksäcke auf den Flughafen
zu bringen. Wir fliegen (mit der Lufthansa) pünktlich um 6.35 h los und haben bereits in Frankfurt kurz die erste Aufregung: Wir sitzen noch im Bus, der uns vom Flugzeug in den Transitbereich bringen soll....--- und laut Boardingpass müssten wir schon in den Anschlussflug einchecken! Zum Glück ist dann der Weg zum entsprechenden Gate nicht sehr weit (bei Frankfurts Grösse könnte er SEHR viel weiter sein!). Wir können grad „durchmarschieren“, d.h. erst nachdem Passnummer, Visanummer, Ticketname und Passname gründlich überprüft wurden! Mit kleiner Verspätung starten wir dann los, weg vom unfreundlich kalten Frankfurt (11 Grad im Juli !), Moskau entgegen. Nach der holperigen Landung dann die erste Erfahrung mit der russischen Bürokratie: Es muss eine „Immigration-Card“ ausgefüllt werden, dazu auf dringende Empfehlung Globo-trecks (unser Reisebüro) auch eine Customer-Declaration, die abgestempelt werden muss. |
Riesiges
Gedränge um die Schreibpulte...wir stehen zuhinterst in der Schlange
und füllen unsere Zettel auf der Treppe stehend aus. Langsam rückt die
Menschentraube vorwärts, jeder Pass / Immigrationcard / Visum wird
einzeln geprüft und verglichen, dann zweimal abgestempelt....
Schliesslich sind auch wir an der Reihe – und grosses Aufatmen,
als alle vier dann durchgeschleust sind !
Nun also: Rucksäcke vom Förderband holen!
Das Band läuft nicht, (nicht
mehr ???), vieles liegt nebenan am Boden... wir entdecken nach und nach
unsere Rucksäcke, aber nur drei davon, derjenige von Urs fehlt!!! Beim Zoll wollen sie von unserer Customers-Declaration absolut nichts wissen...sie wedeln uns genervt weiter, wollen offensichtlich Ruhe haben.... also haben wir halt keine Stempel drauf...wir werden ja sehen, wo das Problem liegt. Nun gilt es als nächstes, Rubel zu erhalten, damit wir den Bus bezahlen können ! Grosse Freude: Es hat einen Bankautomaten in der Halle, der auch unsere Postcard akzeptiert ! So können wir die Euros an Bargeld noch schonen. Ich lasse mal probehalber 1000 Rubel heraus (=42 Fr.) – es erscheint ein 1000-Rubelschein....- so kann man im Bus aber nicht bezahlen, das ist eine zu grosse Note ! Annina begleitet mich von Schalter zu Schalter...niemand will Kleingeld machen und die Bank hat wegen „technischer Probleme“ geschlossen! Schliesslich schickt uns jemand in eine weit entfernte Ecke, dort habe es eine zweite Bank... und tatsächlich, eine Dame ist dort am Zeitungslesen und recht ungnädig, dass ich sie dabei störe ! Aber wir haben jetzt Kleingeld !! Im Reiseführer heisst es nichts über die Busnummer, die ins Zentrum führt. Also nochmals zurück zu der hilfsbereiten Dame, die uns den Tipp mit der zweiten Bank gegeben hat.... Sie kann zwar kein einziges Wort Englisch, aber Anninas Russischkenntnisse sind doch so, dass wir am Schluss einen Zettel mit der Busnummer 851 haben und sogar wissen, dass wir anschliessend in die Metro 48 bis zum Leninsky Prospekt wechseln müssen! |
Mit
grossen roten Pfeilen ist die Busnummer von Zeit zu Zeit an den Wänden
aufgemalt, denn der Weg dorthin führt durch eine grosse Baustelle. Unzählige
Male werden wir von Taxifahrern angesprochen:
„Taxi, Taxi ?“ Wir verzichten:
Zu teuer, zu weit... (30 – 40 Dollar soll die Fahrt kosten !)
Schliesslich finden wir die Bushaltestelle und nach ca. 5 Minuten
erscheint die Nummer 851. Bei
der Konduktorin lösen wir per
Zeichensprache 4 Billette zu je 10 Rubel
(je 42 Rappen!) Der
Bus ist schon bei der Abfahrt gut gefüllt und
bei jeder Haltestelle drängen noch mehr Leute hinein.... Es ist
wie in einer Sardinenbüchse, die Konduktorin muss sich durch die
Menschenmassen drängeln...und die Fahrweise des Chauffeurs mit abruptem
Bremsen und Beschleunigen verbessert die Sache auch nicht ! Über eine
vierspurige Strasse /Autobahn (?) geht es zentrumwärts – Fahrspuren
hat es keine, sondern alle drängeln nebeneinander um die Wette, da wird
mit 10 cm Seitenabstand gefahren... Viele Autos sind recht alt, die
meisten total staubig und etwas lädiert, aber dazwischen sieht man
immer wieder luxuriöse Nobelkarossen auf Hochglanz poliert. |
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Wir laufen dem Menschenstrom hinterher um etliche Ecken und Gebäude und tatsächlich: Die Metrostation liegt vor uns ! Annina hilft wieder mit ihrem Russisch, damit klar wird, wie viele Billette wir wollen.... umsteigen und fahren kann man dann, soviel und solange man will. |
Die Metrolinien sind auf dem Plan zwar nummeriert, aber bald merken wir: Man muss kyrillisch lesen können, um sich zurechtzufinden. Innen in den Gängen gibt es nämlich keine Nummern mehr, nur noch Haltestellenschilder...darauf muss man dann sein Ziel entdecken. Nach 2 – 3 Anläufen finden wir dann beim Umsteigen unsere richtige Linie an den Leninsky Prospekt. Der Zug fährt mit ohrenbetäubendem Lärm – die Räder kreischen und ruckeln, in den engen Tunnels wird das Geräusch noch verstärkt --- und in den Wagen sind wegen der Sommerhitze alle Fenster offen... Die Leninsky Prospekt-Haltestelle öffnet sich auf eine breite Strasse, weiter hinten eine riesige Kreuzung und um den Ausgang der Metro herum hat es viele kleine Verkaufsbuden mit Getränken, Zigaretten, Krapfen usw. Wir kaufen Mineralwasser, wollen aber zuerst das Hotel finden. Wir müssen x-mal fragen (Danke, Annina !) bis wir die richtige Strasse erwischen, aber die Leute sind recht hilfsbereit. Einer telefoniert sogar rasch per Natel jemandem, um nachzufragen, wo das Hotel sei und bestätigt uns dann, wir seien auf dem richtigen Weg. Leider geht es dauernd leicht bergauf...- es ist unheimlich schwül und warm. Wir schleppen uns den riesigen Blöcken entlang. Schliesslich kommen wir oben an und da ist dann auch das Hotel: Ein Riesenblock, 12 Stockwerke hoch, leicht zurückgesetzt von der achtspurigen Strasse. Beim Näherkommen hört Annina, wie das Wachpersonal vor der Tür zueinander sagt: „Die sehen aber müde aus“! Wir sind tatsächlich total k.o., die Füsse brennen und unter den Rucksäcken schwitzen wir mächtig ( der grosse Rucksack auf dem Rücken und vorne der kleine Tagesrucksack...) Die Dame an der Reception ist sehr nett, kann sogar etwas Englisch und wir erhalten die Zimmer 628 und 630 im 6. Stock. Der Lift trägt uns (Gottseidank!) in die Höhe, er gibt aber ganz unheimliche Geräusche wie Kettenrasseln und Ächzen von sich. Ich gratuliere mir oben, gut angekommen zu sein ! Wir haben ja unrenovierte Zimmer gebucht und sind gespannt, was uns erwartet. Das Zimmer ist gar nicht so übel, klein aber in Ordnung, es hat sogar ein WC und Brünneli, das gleichzeitig auch als Dusche dient: An der Armatur ist zusätzlich ein Duscheschlauch montiert, ==> Hebel umlegen ==> du kannst duschen, es hat sogar einen Vorhang, damit das WC nicht auch ganz nass wird.... Der Ablauf besteht aus einem Loch im Boden, auch die Brünnelileitung hört 10 cm über dem Loch einfach auf.... Aber alles ist sauber, auch die Betten. Wir verabreden 1 ½ Std. Ruhepause, dann wollen wir nochmals Richtung Zentrum zum Nachtessen. Gesagt, getan...wir schaffen es, sogar eine 20-Fahrten-Metrokarte zu lösen (und sie erst noch beim richtigen Durchgangs“terminal“ reinzustecken, ohne dass einem die Sperren mit Wucht ans Bein knallen) Mit den Restaurants ist das aber nicht so einfach: In die typischen Touristenfallen wollen wir nicht, und sonst hat es einfach NICHTS in dem Stadtteil nördlich des Kremls... In einer Seitengasse finden wir dann eine Beiz mit 2 Tischen (+ 1 Billiardtisch). Urs und ich erhalten auf unsere Bestellung hin 2 Tontöpfe mit einem Stück Huhn drin und darüber eine ölige Suppe mit Tomaten, Peperoni, Zwiebeln und Kartoffeln. Kathrins Gemüseteller entpuppt sich als Miniaturausgabe und Anninas Kebab besteht aus mehr Knochen als Fleisch... Wir sind aber so müde, dass wir nur noch einen Wunsch haben: Zurück ins Hotel, dort noch einen Kaffee trinken und dann ins Bett!! (Der Heimweg dauert aber doch zwischen ½ und ¾ Stunden) Pro memoria: Im Hotel findet grad eine riesige Hochzeitsfeier statt. 1 Trommler und 1 Flötenspieler geben im Innenhof ein durchdringendes Konzert von seltener Monotonie: Auf der Flöte lassen sich höchstens 5 Töne spielen... erinnert stark an Hirtenlieder aus Anatolien! |
Sonntag, 11. 7. 2004 nach oben
Viertel nach neun gemeinsames Zmorge im Restaurant, es ist z.T. gewöhnungsbedürftig hat aber für alle Geschmacksrichtungen etwas – inklusive chemisch hergestelltem Orangensaft.... Nachher geht’s los Richtung Kreml. Die U’Bahnbenützung erfolgt bereits routinierter und wir haben auch zwischendurch Zeit, die riesigen schmiedeisernen Leuchter samt Hammer + Sichel-Emblem zu bewundern. (An einer der Prachtshaltestellen kommen wir jedoch nicht vorbei.) Beim Kreml stellen
wir fest, dass wir auf der falschen Strassenseite stehen ! ein echtes
Problem, das uns fast 20 Minuten Fussweg kostet !
(Einfach über die Strasse geht nicht, es hat starke Geländer
und viel Polizei...) Nach dem Umweg landen wir doch noch in der Grünanlage vor
der Kremlmauer und stärken uns mit einer Glacé. Jetzt aber los zum
Eingang... und wir werden wegen unsern Rucksäcken und Taschen zurückgewiesen....-
alles auf Russisch natürlich ! Wir
irren durch den Park, auf der Suche nach der Taschenabgabestelle und dem
Ticketschalter. Schliesslich
finden wir den letzteren ohne allzu viele anstehende Leute.
Wir stellen uns in die Schlange, währenddem Kathrin weiterhin
nach der Taschenabgabestelle sucht. Der Aufseher bei der Tür lässt uns
dann herein, aber an der Kasse verstehen sie nur
„Bahnhof“... eine herumstehende Tourguide-Frau erklärt uns
dann auf Englisch, dieser Eingang sei nur für geführte Gruppen.
Auf unser Beharren, wir seien auch ein Gruppe von 4 Personen,
heisst es: Nur für geführte,
russische Gruppen ! In der Erzengelkirche singen grad einige Musiker gregorianische Choräle... – wir hören noch die letzten paar Minuten.... schön, diese Musik passt gut zu dem alten Gebäude. (Nachher entdecken wir weiter hinten den Verkaufsstand mit den CD’s zum Kaufen...) Wir laufen viel herum – alles ist sehr weitläufig - , dann erholen wir uns (und vor allem unsere Füsse) und sitzen im Park hin. Ein älterer Mann mit zwei Kindern und einer Frau dabei, beginnt zu reden...die Konversation erfolgt ausschliesslich über Annina...- verfolgt von vielen Zuhörern ringsum, die immer wieder lachen und Sprüche machen. Allen Beteiligten macht es Spass, auch uns ! Dann brechen wir wider auf: Taschen und Rucksäcke abholen und durch den Park der Kreml-Mauer entlang. Dort flanieren Hunderte von Leuten, es gibt sogar Musikanten, die ein „Ständeli“ geben und einige Leute tanzen dazu... Hier reiht sich Imbissstand an Imbissstand, auch grössere Lokale. Wir kaufen zwei Stück Pizza und etwas Salat und machen daraus ein halbes Znacht. Gestärkt geht es weiter der Kremlmauer entlang und plötzlich stehen wir bei Durchgang zum Roten Platz. Wir wollten den eigentlich für einen späteren Besuch aufheben, aber wenn wir nun schon mal da sind.... dann bummeln wir hat drüber. Das Lenin-Mausoleum ist zwar geschlossen, aber auch sonst gibt es noch viel zu sehen: Die berühmte Basilius-Kathedrale, das Kaufhaus GUM, eine weitere Kirche im Zuckerbäckerstil... Ringsherum wird fotografiert und gefilmt, was das Zeug her gibt... Die meisten Russen bevorzugen es, vor einem wichtigen Gebäude oder in einem Blumengarten abgebildet zu sein. Sie stehen dann stramm hin und lassen sich von Freund oder Freundin ablichten... Mittlerweile ist es bereits wieder halb sieben Uhr abends...wir beschliessen ins Hotel zurückzugehen und auf dem Heimweg den zweiten Teil des Nachtessens zu kaufen: Gefüllte Krapfen ! Das Ergebnis ist allerdings enttäuschend: Total ölig .... – bei meinem Teil hat es sogar überhaupt keine Füllung drin (ausser einer Menge Oel !) und das Hackfleisch in Urs’ Krapfen überzeugt auch nicht gerade.... Wir entsorgen die Dinger, nachdem wir doch tapfer etwa die Hälfte davon gegessen haben. Dafür kaufen wir noch Obst und wieder Wasser ... – so ist das Abendessen gerettet. Im Hotel dann die wohlverdiente Dusche und faulenzen und frühere Nachtruhe als gestern ! Nachtrag: Urs findet, ich hätte die vielen aufgemotzten Russinnen auch noch erwähnen müssen: Stimmt ! Es laufen auffallend viele total aufgedonnerte Frauen / Mädchen herum, in einer Mischung gekleidet, die man zwischen Barbiepuppe und Nutte einstufen müsste !! Wir haben uns alle vier immer wieder gegenseitig auf besonders sehenswerte Exemplare aufmerksam gemacht. |
Beim Durchlesen merke ich
grad, wie viel ich zwar gesehen, aber nicht aufgeschrieben habe:
z.B. die Frauen, die bei den Strassenunterführungen selbst
gesammelte Himbeeren in Plastikbechern anbieten...,
die Läden, die bis 11 Uhr nachts geöffnet haben ... – einige
sogar 24 Stunden am Tag... (und am Sonntag von 10 – 17 Uhr)... die
Bauarbeiten am Revolutsky Platz, die täglich weitergeführt werden,
Samstag und Sonntag inklusive...., die alten Männer und Frauen mit
ihren abgewrackten Kommissionenwägeli, die Blechbüchsen aus den
Abfallbehältern fischen und zusammenlesen, um als Altmetallsammler ihre
viel zu tiefe Rente aufzubessern. (Diese
liegt weit unter dem Existenzminimum !) - drum sieht man auch viele alte Menschen betteln....
usw.....usw..... Heute dann also starten wir mit getrennten Gruppen: Kathrin und Annina verbringen den Tag auf eigene Faust, Urs und ich fahren zuerst mal mit der U’Bahn zu den berühmten U’Bahnstationen, die Lenin als „Paläste für die Werktätigen“ errichten lies: Volle zwei Stunden lang fahren wir herum, besichtigen, fotografieren die riesigen Hallen aus Marmor, dekoriert mit Mosaiken, die z.T. stark an kirchliche Darstellungen erinnern, aber statt der Madonna mit Kind hat es halt einen strammen Sämann darauf... – oder einen Architekten mit Zirkel und Zeichentisch etc. Eine andere Station hat bei jedem Pfeiler ein anderes Glasbildfenster ( von der Grösse etwa von 1,5 x 3,0 m ...) – in reinstem Jugendstil. Auch die Kuppeldecken (Tonnengewölbe) sind immer wieder anders gestaltet: |
Da gibt es Kassetten-decken, solche mit Mosaikmedaillons, die alles verschiedene Szenen aus der Luftfahrt zeigen (bis hin zum Skispringen), es gibt riesige Kronleuchter aus Glas und Alabaster, geschnitze Treppenaufgänge, vergoldete Holzschnitzereien beim Geländeranfang, usw...usw.... | ![]() |
Wir entdecken bei unserer
Fototour ganz vereinzelt Touristen,
die auch die Pracht bestaunen und fotografieren – wie wir selbst aber
stets bedrängt von den Unmengen an Leuten, die achtlos daherhasten...
Individualtourismus in Moskau existiert praktisch kaum und ist
anscheinend auch nicht gross erwünscht: Sie geben sich nicht die
mindeste Mühe... (Es ist z.B. in keinem Museum etwas auf Englisch
angeschrieben...und die fehlende U’Bahn-Beschilderung habe ich schon
erwähnt) Nach zwei Stunden Foto- (und Lärm !)-Tour, wohlverstanden für 10 Rubel (42 Rp.), zieht es uns wieder ans Tageslicht. Wir beschliessen, etwas weiter weg vom Zentrum zu fahren, um dort in einem Park beim Raumfahrtsmuseum uns etwas zu erholen.... Wir landen beim Rauskommen aus der Metro in einem Gewirr von Spielsalons, Verpflegungsständen, Losverkäufern und ich frage mich mit „Sputnik-Museum?“ durch.... von weitem sehen wir dann das Denkmal der Raumfahrt: Typisch sozialistisch - eine Riesenanlage: Eine Art Allee (ohne Bäume !) führt auf eine Art Riesensockel von gigantischen Ausmassen zu. Man steigt eine Treppe hoch und steht vor dem zweiten Aufbau: |
Einer Darstellung von arbeitenden Leuten, die alle zum Erfolg beigetragen haben: Zeichner, Schmiede, Schweisser, usw..., alle natürlich überlebensgross und in Heldenpose mit ihren Werkzeugen....und dann, nochmals eine Stufe oben dran kommt’s: Aus Aluminium, oder ist es Edelstahl, (poliert) schwingt sich ein glänzender Strahl / Schweif (?) in den Himmel, über 80 m hoch (!), gekrönt von einer startenden Rakete... | ![]() |
Die ganze Anlage ist eher trist, nicht mehr unterhalten, - und auch das Museum ist dementsprechend geschlossen. Also schlendern wir durch die „Stadt“ aus kleinen Kiosken und Verkaufslädchen, die sich hintendran drängt. Hier sind die Preise moderater, hier decken sich die „normalen“ Moskau-Bewohner ein. Weiter hinten erstreckt sich ein grosses Grüngelände und es hat ganz weit hinten sogar ein Riesenrad... aber alles ist wirklich recht heruntergekommen. ( Kathrin informiert uns später, das sei wahrscheinlich das „All Russia Exhibition“-Gelände gewesen: Im „Lonely Planet“ heisse es, das ehemalige Ausstellungsgelände sei seit Jahren aufgegeben worden und diene nun den Klein- und Kleinstverkäufern als Refugium.) Auch hier sehen wir alte Frauen, (und wenige Männer), die Plastiksäcke verkaufen, Gürtel usw. Als ein Polizeiauto auftaucht und anhält, sind alle plötzlich weg, obwohl die Polizisten nicht mal aussteigen ! Wir kaufen Mineralwasser und Pistazien (von den öligen Fladen haben wir genug!) und lassen uns in der Grünanlage unter einem Baum im Gras nieder... Bänkli hat es kein einziges ! Anscheinend war Spazieren im Blumenpark erwünscht, Absitzen und Nichtstun aber nicht... --- Bänkli sind überall Mangelware, auch in der Metro ! (Die wollen uns wahrscheinlich schon an China gewöhnen, dort hat es überhaupt keine Bänkli !) Nach einer längeren gemütlichen Pause fahren wir wieder stadtwärts. Dort trinken wir auf dem Revolutsky-Platz eine (eher schlechten) Eiskaffee ( = kalter Nescafe !) und schauen zu, wie das Haus gegenüber abgerissen wird: Auch ein riesiger Bau, ca. aus den Vierzigerjahren... das archäolog. Museum wird mit 2 Baggern einfach eingerissen... Das unterste Stockwerk ist angefüllt mit Steinen und Mauerstücken, darauf stehen die zwei Bagger und reissen aus dem stehenden Rest des fünfstöckigen Gebäudes immer wieder Teile weg, bis wieder ein weiteres Stück einstürzt.... Dann weiter zur Moskaubesichtigung ins Kaufhaus GUM – ein unglaublicher Einkaufstempel, ein wenig vergleichbar am ehesten mit den Galéries Lafayettes in Paris oder den Einkaufshallen beim Domplatz von Mailand ! Ein Jugendstilgebäude mit Türmen und Portalen, das sich den GANZEN Roten Platz entlang zieht ! (Sussanne übertreibt wieder einmal in der üblichen Weise das GUM zieht sich ca. über die Hälfte des Roten Platzes hin) D.h. eigentlich sind es drei parallele Hallen, alle überdeckt mit Glasgewölben.... Dreistöckig hat es Läden auf den Galerien links und rechts der drei Längsachsen. Zwischendurch führen auf allen Stockwerken immer wieder geschwungene Brücken mit Schmiedeisengeländer von einer Hallenseite zur andern... und in dem Mittelpunkt befindet sich ein Rondell mit einem riesigen Brunnen (goldig !) mit Fontänen von allen Seiten her ! Es hat viele Leute, die das GUM besichtigen, (auch Russen), aber gekauft wird fast nirgends etwas: Die Preise sind horrend, sogar für uns Schweizer, es hat fast nur Luxusmarken wie Gucci, Prada, Versace usw. Laut Führer war das früher ein normales Warenhaus, in dem sich täglich weit über 100'000 Leute eindeckten... Heute ist also kein Gedränge mehr – aber die Stimmung ist natürlich auch ganz anders ! Beim Herauskommen aus dem GUM entdecken wir auf der andern Seite des Roten Platzes Kathrin und Annina, die vor dem Lenin-Mausoleum stehen.. Sie warten dort auf einen Amerikaner, der in Leningrad für eine Fotoagentur arbeitet. Die beiden haben ihn am Morgen kennen gelernt. Wir bestätigen unser Treffen um 18 Uhr, um dann gemeinsam zum Nachtessen zu gehen. Dann schlendern wir weiter über den Roten Platz und besichtigen auch die Kirche an der Ecke, die wieder aufgebaut worden ist... sie stand früher den Truppenparaden auf dem Roten Platz im Wege und wurde deshalb abgerissen ! Es findet grad ein „Dauergottesdienst“ statt Ca. vier Sänger und Vorbeter rezitieren eine Litanei, viele kleine Kerzen brennen. Wir beobachten nur im Vorraum, wie da Leute, v.a. Frauen, hereinkommen mit Einkaufstaschen usw. Sie bekreuzigen sich mehrmals, verneigen sich immer wieder.. bekreuzigen sich nochmals... eine küsst auch das Ikonenbild vorne... und sich etliche Male weiter bekreuzigend, verlassen sie rückwärts gehend den kleinen, quadratischen Kirchenraum. Im Vorraum hat es Verkaufsstände für Kreuzchen zum Umhängen, Heiligenbilder, auch Pflanzen stehen an den Fenstern... es herrscht eine heimelige Atmosphäre, nichts von der strengen, nüchternen reformierten Kirchen! Nachher sitzen wir auf der Seitentreppe des Historischen Museums und warten auf unsere zwei Grazien... Wir betätigen uns als Fotografen für zwei Freundinnen, die zusammen samt Strassenschild „Roter Platz“ auf dem Bild sein wollen, wir helfen einigen italienischen Damen den Museumseingang zu finden usw. usw. Daneben gibt es unzählige Sachen zu beobachten, v.a. auch die relativ seltsame Art der jungen Russinnen, sich anzuziehen und deren Farbvorlieben ! Nachdem unser Nachwuchs aufgetaucht ist, gehe wir zum Znacht in ein riesiges unterirdisches „Warenhaus“ – Shopping Mall ist vielleicht zutreffender. Auch ein dreistöckiges Gebäude, aber unterirdisch angelegt mit zwei grossen offenen Rondellen – zuoberst mit Glaskuppeln fürs Tageslicht. Im untersten Stock hat es einen Essstand am andern ...- aber alle bieten ungefähr das Gleiche an: Pizza, Blumenkohl, Brokkoli, Auberginenschnitten, Fleischspiesse ungewisser tierischer Herkunft, Pommes frites... Da es oben keinerlei Restaurants weit und breit gibt, bleiben wir hier unten – die Zusammenfassung des Menues ist kurz: Sehr teuer, kalt, ungewürzt !! Nach einer Runde durch die Läden (eine Zumutung für die Augen !) schlendern wir gemütlich Richtung U’Bahn. .. Annina macht grad noch eine Bemerkung, wir würden wie die Schnecken schleichen.... da kracht es von der Baustelle links ( archäol. Museum) gewaltig und eine Steinlawine donnert aussen herunter ! Eine riesige Staubwolke quillt immer grösser hervor und zwängt sich durch die Strasse – so wie man es nach dem Einsturz des World Trade Centers unzählige Male im Fernsehen gesehen hat....! Zum Glück sind wir so langsam gewesen, sonst wären wir mitten drin gestanden !!! So können wir minutenlang abwarten, bis der schlimmste Staub sich verzogen hat --- alles ist voll mit weissem Puder / Pulver bedeckt, eine riesige Fläche...Boden, Bäume, usw. Die Leute, die im Revolutsky-Café auf der Terrasse sassen, haben eine volle Ladung abbekommen !! Aber niemand ärgert sich – alle schauen nur, nehmen das gelassen... Im Hotel zurück (es ist schon 22 Uhr) läutet bei uns auf einmal das Telefon...irgendeine Person erkundigt sich auf russisch, ob wir von „Schwezia“ seien..., er sagt dauernd etwas von „Korridor“ und „Lift“, es ist ihm sehr wichtig, denn als ich nichts verstehe, versucht er sein Anliegen sogar auf französisch vorzubringen... „Je ... , je.....“ , dann muss er selber lachen, weil er nicht mehr weiter weiss. Urs und ich schauen mal im Gang nach, - er kommt aus einem Zimmer bei Lift und versucht etwas zu erklären, wir begreifen aber gar nichts! Annina hört uns und kommt auch in den Gang um zu übersetzen. Es stellt sich heraus, dass der Mann (Nicolae aus Moldavien) schon mal mit uns, d.h. Annina, bei der Ankunft geredet hat.... --- er will nun einfach noch reden und braucht Zuhörer... Wir sitzen auf den Polstersesseln beim Lift, er erklärt uns, er sei als Gastarbeiter hier in Moskau und renoviere im Hotel die oberen Stockwerke. Zu Hause habe er Frau und drei Kinder zwischen 21 und 16 Jahren. Er hat hier Kost und Logis und verdient 30 US-Dollar im Monat... Dann zählt er auf, wo er schon alles gewesen ist, als Soldat, als Arbeiter usw.... Die Stockwerkaufpasserin fordert uns auf, leiser zu sein, also lädt er uns zu Tee in sein Zimmer ein. (mittlerweile ist die ganze Familie Witschi versammelt). Er verschwindet und kommt mit Tomaten und Aprikosen wieder zurück, tischt Brot, Butter, Tee und Kaffee auf... wir revanchieren uns mit Schokolade – wir brechen eine Tafel an und lassen eine zweite und ein neues Sackmesser zurück... Er redet wie ein Wasserfall... und daneben muss er uns natürlich zeigen, dass er sich einen Radio leisten konnte... (der wird auf Lautstärke 10 eingestellt..!) - und der Fernseher muss auch noch laufen, samt eifrigstem „Zappen“ während des Redens... Annina versteht zwar nur einen Bruchteil des ganzen Wortschwalls, wir nicken aber immer wieder bestätigend. Der arme Kerl scheint recht einsam zu sein ! Mit grosser Anstrengung schaffen wir es, gegen ein Uhr morgens, uns loszureissen |
Es regnet....., aber während des Morgenessens hört es zum Glück auf ! Wir packen unsere Siebensachen und nehmen den Trolleybus Nr. 33 (wie daheim !) und fahren bis zum Oktoberplatz, dann die Metro bis zum Yaroslawbahnhof. Wir wollen das Gepäck dort deponieren, den Tag noch in Moskau verbringen und vor der Abfahrt um 23.25 h noch einen Grosseinkauf erledigen. An der Yaroslaw-Station ist der Bär los !! Russische Familien mit riesigen Paketen und Kisten, mit Koffern, Taschen, Plastiksäcken und Schachteln stehen herum oder drängeln, ganz ganz selten dazwischen auch einige einzelne „westliche“ Touristen ... – auf der Suche nach der Gepäckaufgabe, so wie wir ! Annina fragt sich durch, aber wir erhalten laufend andere Auskünfte, --- wir finden sie nicht ! Schliesslich kommt uns eine junge Russin (auch mit Tramperrucksack) zu Hilfe: Sie begleitet zwei Deutsche als Führerin in den Norden und spricht gut Englisch. Sie führt uns um ...zig Ecken den Geleisen entlang zu vier „Schalterchen“, dort muss auch sie sich durchfragen, zu welchem der vier wir gehen müssen. Es hängt anscheinend von der Abfahrtszeit ab, an welchem Schalter man sein Gepäck deponieren muss.... --- und dann soll man laut Reiseführer unbedingt darauf achten, wann der Schalter zwischendurch geschlossen hat... die machen immer wieder eine zweistündige Pause zwischendurch ! |
Ohne unsern Riesenrucksack fahren wir dann wieder ins Zentrum. Dort gehen wir als erstes ins Internetcafé im unterirdischen Einkaufscenter...- am Morgen kostet es weniger. Wir „kaufen“ eine Stunde Internet und wechseln uns dann jeweils ab, - mails checken, Grüsse absenden... es geht grad auf mit der Zeitgutschrift. | ![]() |
Dann teilen wir uns
auf: Annina hat keine Lust auf weitere Kirchenbesichtigungen, sie will
im Alexanderpark bleiben, Leute kennen lernen und zeichnen... Kathrin,
Urs und ich wollen noch in die Basilius-Kathedrale beim Roten Platz und
dann weitersehen... Auf dem Roten Platz sind heute viele Schulklassen unterwegs, mit mehr oder weniger Interesse für das, was die Lehrer erzählen...(eher weniger !)... Über dem Kreml ballen sich dicke graue Wolken zusammen, der Regen wird nicht lange auf sich warten lassen. Die Basilius-Kathedrale, (das ist die mit den acht farbigen Kuppeln), entpuppt sich als eine Art kirchlicher Irrgarten oder Labyrinth. Acht Aussenkapellen liegen um einen achteckigen Innenraum, aber alle durch diverse enge Gänge miteinander verbunden. Ich verliere völlig die Orientierung... Die Kirche ist sehr
alt, aber auch sehr eindrücklich:
Kein einziger Fleck ist unbemalt oder unverziert, dazu auch unzählige
Ikonenbilder, die alten Tonplatten am Boden sind tief
„aus-gelatscht“... Leider
ist die ganze Anlage in einem äusserst schlechten Zustand, die
Feuchtigkeit steckt in den Mauern, überall sieht man den Zerfall am
Werk.... Wie wir wieder
rauskommen, windet es schon stark, es kann sich nur noch um Minuten
handeln, bis das Gewitter losbricht... also ab, nochmals ins GUM, das
ist der einzige Ort rund um den Roten Platz herum, wo man hineinkann,
--- einfach unterstehen kann man sonst nirgends! Wir teilen ein Stück Pizza und trinken etwas. Wir vertreiben uns die Zeit mit Kartenschreiben und gegenseitigem Tagebuch-Lesen, da es einfach nicht aufhören will zu regnen.... Endlich.... Draussen im Park
setzen wir unsere Wartezeit fort. Wir
treffen Annina an der Komsomolskaya und essen dann einen Döner-Kebab
zum Znacht . (Das Beste,
was wir in den ganzen Tagen in Moskau gegessen haben!
Wir sind wahrlich nicht verwöhnt worden!), dann holen wir unsere
Rucksäcke ab, da wir der Gepäckausgabe und der Auskunft doch nicht so
ganz trauen. Wir errichten
ein eigenes „Gepäckdepot“,
Annina und Kathrin bleiben als Bewachung zurück und Urs und ich gehen
noch einkaufen (um 10 Uhr
nachts...) == > wir haben für 30 Rubel extra noch eine
„russische“ Reisetasche gekauft. Wir erstehen viel Brot, saure
Gurken, Yogi-Drink, Käse, Chips, diverse Literflaschen Wasser, Süssigkeiten
usw. usw. Annina und
Kathrin gehen anschliessend als zweite Mannschaft noch einkaufen, was
aus ihrer Sicht noch fehlt...! Währenddem wir so
abwechslungsweise beim Lenin-Denkmal des Yaroslaw-Bahnhofs hockend unser
Gepäck bewachen, stellen sich natürlich sofort Gesprächspartner ein:
Ein einzelner Amerikaner auf dreiwöchiger Russlandreise, ein
Armenier samt halbwüchsigem Sohn, der sich über den Niedergang der
UdSSR beklagt... und bei Annina Zigaretten schnorrt... In wechselnder Besetzung richten wir uns ein – es ist zu eng, als dass zwei gleichzeitig auspacken könnten ! Unterdessen fährt der Zug ganz sanft an – macht aber zwischendurch plötzlich Rucke, die uns fast umwerfen... Ich bin so müde, dass ich mich auf Bett lege und einschlafe, bevor alle andern fertig „eingerichtet“ sind! |
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Die Rubel rollen nur so davon ! |
Im 2. Teil folgt die erste Etappe der Zugsreise, von
Moskau bis Iskutsk
zum
Reisetagebuch von Susanne
Witschi-Klotz
Teil 1, Teil
2, Teil 3, Teil 4, Teil 5,
Teil 6, Teil 7
zum
Fototagebuch von Urs Witschi
Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5, Teil 6, Teil 7