Schülerdisco
und Shandur Polo
10. Juli 2000
Unterdessen scheinen wir den Kulturschock grösstenteils
überwunden zu haben. Der Aufenthalt bei den Kalash war wirklich sehr
erholsam, und Nordpakistan macht auf uns allgemein einen entspannteren
Eindruck als der Süden. Am letzten Abend im Rumbur Valley kamen wir noch
in den Genuss eines Kalash-Tanzfestes. Das Ganze fing sehr geheimnisvoll
an. Nach längerem Warten wurden wir von ein paar Jungs den Berg hochgeführt
zu dem Platz, auf dem die Tänze stattfinden. Je näher wir kamen, desto
lauter wurden die Trommeln und der Gesang der Frauen. Doch kaum waren wir
oben, stand Axel die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben: kein Feuer!
Die mystische Stimmung, die wir beim Hochkraxeln eben noch gespürt
hatten, wurde von den blendenden Taschenlampen weitgehend vertrieben. Dafür
hatten wir bald das Gefühl, einer Schülerdisco beizuwohnen, denn Kinder
und Jugendliche führten die Tänze an. Die Mädchen sangen, und die Jungs
liessen ab und zu ein gespenstisches Lachen über dem Platz erschallen.
Wir waren voll mit dabei, stolperten über unsere eigenen Füsse und die
der Tanznachbarn. Aber nachdem Axels Versuche, die Einheimischen doch noch
von der Magie eines Feuers zu überzeugen, kläglich gescheitert waren,
machten wir uns um eine Erfahrung reicher auf den Heimweg.
Auf zum Shandur-Pass! Lange Zeit waren wir nicht
sicher, ob wir es zum alljährlichen Polo-Festival auf 3800 Metern
schaffen würden, doch nun war das grosse Finale zwischen Chitral und
Gilgit, den beiden durch die 400 km lange und äusserst holprige
Passstrasse verbundenen Städtchen, in greifbare Nähe gerückt. Der
Zufall wollte es, dass wir auf dem Weg zum Pass hoch auf einem
Campingplatz landeten, der von der Familie des Präsidenten des Chitral
Poloteams geführt wird. Bei hochprozentigem Maulbeerschnaps (der erste
Tropfen Alkohol seit 1½ Monaten!) wurden wir bis spät in die Nacht
hinein in die lokalen Polo-Politics eingeführt und zu Chitral-Fans
getrimmt. Am nächsten Tag ging es mit einer ganzen Kolonne von alten
Jeeps und Landcruisern, die durchschnittlich mindestens 10 Leute geladen
hatten, auf den Pass hoch. Erstaunlich war auch die Zahl der Fahrzeuge,
die uns auf der staubigen, schmalen und teilweise ziemlich exponierten
Piste entgegen kamen und zu waghalsigen Kreuzungsmanövern zwangen.
Landschaftlich war die Strecke grossartig, und auch auf dem Pass oben
empfing uns eine gewaltige Sicht. Etwas abseits von der grossen Menge
schlugen wir am Ufer des Sees unser Nachtlager auf. Am nächsten Tag um
11.00 Uhr startete das grosse Finale, um 10.00 Uhr kam Chief Executive
General Musharraf mit dem Helikopter angeflogen. Leider kamen wir zu spät,
um noch einen Logenplatz zu kriegen, und landeten inmitten der
einheimischen Fans. Auch hier - nur
Männer. Worauf Axel trocken bemerkte, dass es sich hier ja schliesslich
um ein Polo-Spiel und nicht um ein Wetthäkeln handle... Kurz darauf sahen
wir nur noch Staub, Hufe und zum Schlag (sei es auf den Kopf des Gegners
oder den Ball) erhobene Stöcke. Pferde überschlugen sich mitsamt Reiter,
Stöcke wurden am Laufmeter ausgewechselt und Chitral ging mit
Riesengaloppschritten dem Sieg entgegen. 7:1 15 Minuten vor Schluss.
Doch dann kam die Wende, und Gilgit schoss ein Tor nach dem anderen. Der
erleichternde Schlusspfiff ertönte bei 7:6. Und mit einer langen Kolonne
von alten Jeeps und Landcruisern nahmen wir auf der anderen Passseite die
gut 200 km nach Gilgit in Angriff. Zum Glück gab es diesmal überhaupt
keinen Gegenverkehr.
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