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Passfahrten mit Adrenalinschub
5. August 2000

Der Abschied von Gilgit und Abdul Bari fiel nicht leicht, doch der Ruf des legendären Khunjerab-Passes war stärker. Der kürzeste Weg, um von Gilgit aus auf den Karakoram Highway zu gelangen, entpuppte sich für uns als Sackgasse. Ratlos mussten wir zuschauen, wie die allgegenwärtigen Suzuki-Taxis mühelos an uns vorbei über die bedenklich schwankende Hängebrücke fuhren und auf der anderen Seite in einem Tunnel verschwanden, der offensichtlich nicht für die Höhe eines Landrovers oder Landcruisers errichtet wurde (ja, der Hilux hätte es natürlich problemlos geschafft). Nach dem zweiten Anlauf stand unserer Fahrt zur chinesischen Grenze jedoch nichts mehr im Wege. Der sich über 1200 km bis auf eine Höhe von 4730 m erstreckende Karakoram Highway, auch das 8. Weltwunder genannt, ist ein Gemeinschaftswerk der Pakistani und Chinesen und wurde 1980, nach 20jähriger Bautätigkeit und einem Tribut von mehreren tausend Toten, fertiggestellt. Seit 1986 ist der Khunjerab-Pass für Touristen geöffnet – und auch fleissig genutzt, sei dies mit dem eigenen Auto, mit dem Fahrrad oder zu Fuss. So zum Beispiel ein Genfer Ehepaar (Foto folgt), das mit ihren Liegevelos aus der Schweiz herkommend Richtung China unterwegs war. In der „Tribune de Genève“ ist regelmässig von ihren Erlebnissen – vor allem den kulinarischen – zu lesen. Nach eineinhalb Tagen gemütlicher Fahrt (der Landy läuft halt auch auf dieser Höhe nicht schneller...) durch enge Schluchten und erstaunlich fruchtbare Gebirgslandschaften erreichten wir den Pass. Während sich die einen auf den Weg zum naheliegenden Gletscher machten, um auf dem Rückweg den chinesischen Grenzbeamten noch schnell ein Foto abzuluchsen, kochten die anderen Polenta und schauten sehnsüchtig Richtung China und der leider unerreichbaren Strasse direkt nach Lhasa, Tibet. Vielleicht beim nächsten Mal? Die Sehnsucht begleitete uns noch ein Weilchen auf dem Rückweg nach Gilgit, doch als uns plötzlich Harald und Nicole auf ihren Motorrädern entgegenkamen, geriet das Fernweh in Vergessenheit. Natürlich hatten wir uns wieder einiges zu erzählen und standen über eine Stunde am Strassenrand, umgeben von einer Schar von Locals, die einfach da sassen und guckten. Zwischendurch gesellten sich noch ein Solothurner und ein Luzerner auf ihren Fahrrädern hinzu, die ihre Reise in Islamabad begonnen hatten und ebenfalls Richtung China unterwegs waren. Auch ein Bus mit Zürcher Kennzeichen fuhr an uns vorbei, doch wurde unser Winken und Gestikulieren schlicht ignoriert...

Harald und Nicole lieferten uns wertvolle Informationen über den Babusar-Pass, unserem nächsten grossen Ziel. Allerdings wurden sie, von Süden kommend, kurz vor dem Pass in eine falsche Richtung gewiesen und überquerten so versehentlich den Bhutogah-Pass, der leicht westlich vom Babusar verläuft und – obwohl offenbar besser ausgebaut - auf keiner Karte eingezeichnet und in keinem Reiseführer beschrieben ist. Zwei Täler, dicht nebeneinander und, wie uns Harald erzählte, doch so verschieden. Während das Babusar-Tal Fremden gegenüber eher skeptisch, ja fast feindselig eingestellt ist und bewaffnete Einheimische und Steine schmeissende Kinder keine Seltenheit sind, sind die Bewohner des Bhutogah-Tals allgemein offener und freundlicher. Harald erlebte dies hautnah, als er bei einem Ausweichmanöver stürzte und mitsamt Motorrad einige Meter den Steilhang hinunterpurzelte. Die Insassen des überholenden Jeeps hielten an und halfen ihm, den Töff unter Einsatz sämtlicher Kräfte wieder hochzuhieven. Wie schon bei seinem Speedbraker-Malheur anfangs Pakistan kam Harald auch diesmal mit ein paar Schrammen davon. Am Motorrad selbst waren allerdings wieder ein paar Reparaturarbeiten erforderlich.

Aufgrund seiner Schilderungen entschlossen wir uns dazu, ebenfalls den Bhutogah-Pass zu fahren, der mit seinen ca. 4300 m sogar leicht höher ist als der Babusar. Nach der Übernachtung im auf 1600 m liegenden Chilas ging es in das grüne und anfangs sanft ansteigende Bhutogah-Tal. Die Strasse war schon da eigentlich nur ein besserer Feldweg, aber noch hingen wir nicht über den senkrechten Felsen... Der Pass selbst versetzte uns in Hochstimmung; nach einer Schneeballschlacht auf dieser Höhe waren wir ziemlich ausser Atem und mussten uns zuerst mit einer Toblerone stärken. Als es leicht zu regnen begann, fuhren wir weiter, noch die Worte eines Pakistanis in den Ohren, der uns eingeschärft hatte „if there is the slightest sign of rain don’t even think about crossing the Babusar Pass“. Bald wurde uns klar, was er damit gemeint hatte, obwohl sich der Regen wieder einstellte. Die Strasse würde sich im Nu in eine schmierige Schlammrutschbahn verwandeln. Nach einigen Kilometern trafen wir auf die eigentliche Babusar-Passstrasse – und da fing der Nervenkitzel erst richtig an. Zum Glück bekamen wir nicht, wie ein holländisches Ehepaar, die mit demselben Landcruiser wie wir unterwegs waren, von den Einheimischen zu hören, dass NOCH NIE jemand mit so einem grossen Auto den Pass überquert hätte. Wir wussten dann auch bald, weshalb die Frau auf der Passstrasse nahe an einem Nervenzusammenbruch war. Während sich die Strasse auf der einen Seite haarscharf an den Felsen entlangwand, ging es auf der anderen Seite senkrecht hinunter – und das bei einer Strassenbreite von weniger als zwei Metern. Jede Kurve führte zu einem neuen Adrenalinstoss, wenn wir uns aus dem Fenster lehnten, um sicherzustellen, dass die Vorderräder nicht über den bedrohlichen Abgrund rollten und die Hinterräder nicht an den vorstehenden Felsen aufgeschlitzt wurden. Die Fahrerei bei äusserster Konzentration und weichen Knien wollte kein Ende nehmen. Als wir das Gröbste überstanden und in einem kleinen Dorf unterwegs unser Camp aufgeschlagen hatten, stellten wir uns die höchstinteressante Frage, ob wir eines allenfalls vergessenen Fotoapparates wegen nochmals den Pass hochfahren würden. Die Antwort war alles andere als ein klares Ja...

Inzwischen sind wir bereits in Leh, Ladakh, angelangt, wo wir sicher ein paar Tage bleiben werden. Hier werden Christoph und ich uns nach gut dreimonatigem Zusammensein und vielen schönen Momenten von den anderen verabschieden, da diese Ende August von Delhi aus nach Hause fliegen.

Wie wir trotz gesperrter Strasse doch nach Leh gelangten, wird im nächsten Bericht beschrieben.

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