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10. April 2001

Auch auf dem Rückweg schafften wir es nicht, die ganze Strecke von Indien in die Schweiz überland zurückzulegen. Von Igoumenitsa aus verschifften wir in einem Tag und einer Nacht direkt nach Venedig. Als wir in der türkischen Grenzstadt Edirne ein holländisches und ein belgisches Paar trafen, die absolut problemlos über Rumänien und Bulgarien in die Türkei gelangt waren, fassten wir kurz eine Routenänderung ins Auge, entschieden uns dann allerdings dagegen, da wir das Gefühl hatten, nicht mehr richtig „aufnahmefähig“ zu sein.

 Die Strecke von der indisch-pakistanischen Grenze bis in die Schweiz legten wir in vierzig Tagen zurück, mit einigen Aufenthalten in verschiedenen Städten. Es gibt Leute, die diese Distanz in zwei Wochen überwinden, doch zu diesen werden wir sicher nie gehören. Durchquert man diese zum Teil sehr komplexen und andersartigen Länder in nur wenigen Tagen, ohne gross anzuhalten, ist es unmöglich, ein Gefühl für Land und Leute zu entwickeln. Been there, seen it, done it. Wir waren auf der Rückreise etwas hin- und hergerissen zwischen einem sich doch langsam spürbar machenden Stalldrang und dem Wunsch, noch einmal in die Länder einzutauchen und die uns vom ersten Besuch bereits bekannten Eindrücke wiederzufinden, aufzufrischen oder neu zu erleben. In Pakistan gelang uns dies ganz gut und unser erster Eindruck wurde sogar um einige neue Aspekte bereichert. Für den Iran blieb uns wegen der Visumsgeschichte leider nicht genügend Zeit, um die Faszination und Widersprüchlichkeit des Landes noch einmal richtig zu erleben. Die zehn Tage in der Türkei waren nicht viel mehr als Transit, abgesehen von einem dreitägigen Aufenthalt in Istanbul. Mit uns kam das schlechte Wetter nach Istanbul und am ersten Tag regnete es in Strömen. Auf dem Campingplatz waren wir die einzigen Touristen und es war alles ziemlich trostlos. Doch zum Glück bestätigte sich die himmeltraurige Wetterprognose nicht und als wir am nächsten Tag vorsichtig die Nase hinausstreckten, empfing und blauer Himmel und Sonnenschein. Wie jeder anderen Stadt bekommt auch Istanbul schönes Wetter viel besser. Mit dem Stadtplan bewaffnet stürmten wir die Sehenswürdigkeiten. Die uralten Moscheen, zum Teil ursprünglich als Kirchen gebaut, sind herrlich. Während die iranischen Moscheen mit ihren türkisfarbenen Kuppeln und Mosaiken die Besucher schon von aussen anlocken, sind die türkischen zwar riesig, aber von aussen eher schlicht und entfalten ihre wahre Pracht erst in den inneren Gewölben. Um diesen Eindruck bereichert nahmen wir die letzten zweieinhalbtausend Kilometer in Angriff. An der Grenze machte uns unser Carnet de Passage zwei Stunden lang Probleme, da es seit einer Woche abgelaufen war. Eigentlich ist für Schweizer für die Türkei kein Carnet mehr erforderlich, doch die eifrigen Beamten in Dogubayazit hatten doch noch enthusiastisch einen Stempel draufgedrückt, der natürlich bei der Ausreise wieder einen Gegenstempel erforderte. An der Grenze bei Edirne, die wir sonst allen empfehlen würden, da sie viel kleiner und freundlicher ist als diejenige weiter im Süden, waren sie zuerst einmal völlig ratlos. Nach langen Diskussionen auf türkisch, von denen wir dank unserem rudimentären Deutschübersetzer, dem braven Soldat Mike, einen kleinen Bruchteil mitbekamen und verschiedenen Telefongesprächen mit wichtigen Leuten, mussten wir fünfzig Franken „Strafe“ bezahlen, was alle sehr bedauerten. Nein, um Korruption handelte es sich hier nicht, dafür waren die Beamten viel zu gewissenhaft und auch der offizielle Beleg, den wir erhielten, sprach dagegen. Wenig später waren wir in Griechenland und im Frühling. Überall blühten Bäume und Wiesen und wir stellten fest, dass wir diesen Anblick gar nicht mehr gewohnt waren. Es war herrlich! Wir waren kurz verlockt, doch noch den Süden Griechenlands anzusteuern, um noch einmal Wärme zu tanken, doch nein, wir wollten nach Hause.

 Die Blue Star Ferry brachte uns für knapp 300 Franken direkt von Igoumenitsa nach Venedig. Die „Camping on Board“ Option, bei der man auf dem Parkdeck im eigenen Fahrzeug übernachten kann, war zu dieser Jahreszeit noch nicht sehr gefragt. Als wir kurz nach Sonnenaufgang in Venedig einfuhren, fielen uns fast die Augen aus dem Kopf. Der Weg zum Hafen führte direkt vor dem Markusplatz vorbei und während einer halben Stunde zog Venedig in dieser Morgenstimmung an uns  vorbei. Das Wetter war herrlich und die Schneeberge im Norden der Stadt zeigten sich uns in ihrer ganzen Pracht. Es muss ja wirklich nicht immer der Himalaya sein! Als wir wieder auf festem Boden auf der Autobahn unterwegs waren, erstaunte uns der Anblick der vielen Wohnmobile, die Venedig ansteuerten. In der guten alten „Overlander“-Manier betätigten wir auf den ersten paar Kilometern jedes Mal, wenn uns eines dieser Mobile entgegen kam, die Lichthupe und winkten, doch als jegliche Reaktion ausblieb, gaben wir auf und realisierten mit leichter Wehmut, dass wir hier nicht mehr zu einer kleinen Gruppe von Spinnern gehörten und Solidarität nicht mehr die gleiche Bedeutung hatte wie auf den verrückten Strassen Indiens. Doch bald waren wir wieder in Hochstimmung und flogen der Schweizer Grenze entgegen. Am Lago Maggiore entschieden wir uns, noch eine Nacht in Italien zu bleiben und nach langem wieder einmal eine echte Pizza zu essen. Die Übernachtung auf dem Camping war mit dreissig Franken wohl die teuerste auf der ganzen Reise, aber für die Pizza lohnte es sich allemal. Am nächsten Tag, dem 1. April 2001, überquerten wir immer noch in Hochstimmung und bei strahlendem Wetter die Schweizer Grenze in Gondo. Wir hatten fest mit einer Autodurchsuchung gerechnet und schon ein paar Rupees Schmiergeld bereit gelegt, doch niemand schien interessiert. Somit können wir nun definitiv sagen, dass wir auf der ganzen Reise an keiner Grenze richtig durchsucht wurden und uns nie auch nur annähernd veranlasst sahen, schmieren zu müssen. Nur der eine Schweizer, der für eine Umfrage Herkunfts- und Zielort der Grenzgänger erfasste, war kurz erstaunt, als wir ihm sagten, wir kämen aus Indien. „Ja, das chan ich jetzt da leider nid erfasse“, meinte er in uns schwer verständlichem Walliserdeutsch und gab sich mit Baveno zufrieden, wo wir die letzte Nacht verbracht hatten. Der erste Eindruck von der Schweiz (der – abgesehen vom Wetter - auch zwei Wochen später noch anhält) war durchwegs positiv. Die Landschaft, das Wetter, die Leute, die Bauten – alles erschien uns so schön, so frisch, so freundlich. Der Simplon war im Nu überquert, der Verlad durch den Lötschberg verlief problemlos und nach einigen erfolglosen Anläufen erinnerten wir uns auch wieder, wo es die unverzichtbaren Autobahnvignetten zu kaufen gab. Wenig später fuhren wir bei meinen Eltern in Bern ein und die Wiedersehensfreude war gross. Die kommenden Tage waren ein grosses Fest, zuerst bei meinen, dann bei Christophs Eltern und schliesslich in unserem eigentlichen Zuhause in Zürich. Da wir unterwegs oft davon geträumt hatten, wieder einmal mit dem Einkaufswagen durch die prall gefüllten Regale eines Einkaufszentrums zu kurven, hatten uns Freunde einen solchen Wagen in die leere Wohnung gestellt und mit allerlei Leckerbissen gefüllt. Bevor wir jedoch zu unserer Wohnung im Zentrum von Zürich fahren konnten, mussten wir als erste Aktion überhaupt eine neue Parkkarte für die Blaue Zone besorgen. Ein seltsames Gefühl, den Wagen überall auf der ganzen Reise einfach abstellen zu können, nur zu Hause nicht... Es machte Spass, die kleinen Veränderungen in Zürich zu entdecken: die allgegenwärtigen Scooter, das neue Coop-Logo, die aus der Vergangenheit wieder aufgetauchte Schuhmode oder das smarte Wartesystem mit Nummern auf der Post. Oft hatten wir uns in Asien danach gesehnt, uns wieder normal und unauffällig in den Strassen bewegen zu können. Doch am Anfang kamen wir uns auch in Zürich irgendwie fremd vor, obwohl uns das meiste vertraut war. Wahrscheinlich hatten wir mehr aus Asien mitgenommen, als uns bewusst war. Beim ersten Besuch auf der Post entging mir natürlich das neue Nummernsystem und ich stellte mich ahnungslos an den Schalter, worauf ich mit eigentlich liebenswertem Schweizer Charme zurechtgewiesen wurde: „Ich ha dänn no nöd glüütet – händ Sie keis Nümmerli gno?“ „Ähh, nei, entschuldigung...“ Wahrscheinlich wird es noch eine Weile dauern, bis wir gesellschaftlich wieder voll integriert sind. Christoph fährt manchmal in Zürichs Strassen noch auf der falschen Seite und es gelingt uns noch nicht immer, den Abfall konsequent zu trennen, doch wir bemühen uns sehr und haben uns bereits in den ersten Tagen mit einigen wesentlichen Dingen eingedeckt, die uns doch eindeutig als gesellschaftsfähige Schweizer erkennen lassen: Halbtaxabo, Kompostkübel, Velovignette, Telefonanschluss, Zeitungsabo usw. Nur Job haben wir noch keinen, doch dieser Tatsache werden wir uns in den nächsten Wochen neben dem Sortieren der Dias und Einkleben der Fotos widmen.

Die Reise war grossartig, doch die Heimkehr auch, und ein Motto, das mir immer schon lieb war, fand für mich einmal mehr Bestätigung: Es lohnt sich immer wegzugehen, alleine schon der Heimkehr wegen. Bestimmt sind wir nicht zum letzten Mal heimgekehrt.

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