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Happy Diwali!
27.Oktober 2000

Diwali – das bedeutet einladende Lichter, bunte Blumenketten, ohrenbetäubende Knallkörper und vor allem Berge von Süssigkeiten. Diwali, eines der wichtigsten Hindu-Feste, ist eine fröhliche Angelegenheit; die Frauen kleiden sich in ihren schönsten Saris und bringen ihre Bleibe (sei dies ein richtiges Haus oder nur eine Bretterbude) auf Hochglanz, während die Männer ihre Autos mit Blumenketten schmücken und sich mit Raketen und Krachern eindecken (die bei uns gar nicht erst erlaubt wären...). Diwali dauert hier in Rajasthan mindestens drei Tage. Am Abend des ersten Tages werden rund ums Haus Kerzen angezündet und Öllämpchen aufgestellt, um Gott Rama den Weg nach Hause zu zeigen. Die Frauen gehen von Haus zu Haus und bringen sich gegenseitig Öllämpchen. Es werden Süssigkeiten angeboten und die jeweiligen Lieblingsgötter verehrt. Die Jungs rennen durch die Gassen und lassen ihre stolz erworbenen Knallkörper los. Ähnlich wie bei uns am 1. August, nur sind die Knaller um ein Vielfaches lauter und sicher auch gefährlicher. Unfälle gibt es offenbar immer wieder weshalb im ganzen Land Initiativen gestartet und dazu aufgerufen wird, Diwali doch ohne diese Dinger zu feiern. Bis heute offensichtlich ohne Erfolg... Auch am zweiten Tag kracht es ununterbrochen. Ob die Kühe, die an diesem Tag geehrt werden, dies zu schätzen wissen, bleibe dahingestellt. Der dritte Tag ist Bruder und Schwester gewidmet. Die beiden besuchen sich gegenseitig und der Bruder wird von der Schwester königlich bekocht.

Am ersten Tag des Festivals trafen wir in Fatehpur Sikri ein, das nur 20 km von Agra und dem Taj Mahal entfernt ist. Fatehpur Sikri wurde von Kaiser Akbar errichtet und war von 1571 bis 1585 die Hauptstadt des Mogulreichs. Danach wurde Lahore zur neuen Hauptstadt ernannt und innerhalb kurzer Zeit war Fatehpur Sikri nur mehr eine verlassene Festungsstadt, deren Ruinen heute besichtigt werden können. Nach einem wunderschönen Sonnenuntergang über den Ruinen sassen Christoph und ich mit unseren Hotelbesitzern (welcher genau der Besitzer war, wurde uns nie ganz klar, da alle immer von „my hotel“ redeten) auf der Dachterrasse und redeten über Gott, Götter und die Welt und natürlich über Diwali. Mir tat dieser Moment extrem gut, hatte ich doch seit ein paar Tagen - genau gesagt seit dem Grenzübertritt von Nepal – die Indien-Krise, vor der uns schon so viele gewarnt hatten. Während Christoph seine helle Freude an den indischen Strassenverhältnissen hatte (siehe nachfolgender Bericht) und seinen Fahrstil problemlos dem indischen anzupassen vermochte, sah ich nur noch die negativen Seiten – zuviel Dreck, zuviele Leute, zuviel und vor allem lebensmüder Verkehr – kurz, was ich sah, war eine überaus menschenfeindliche Gesellschaft. Die Inder kamen mir vor wie eine Wand, gegen die ich ständig rannte. Dass diese Wand aber auch sehr menschliche Seiten hat, daran wurde ich an diesem Abend glücklicherweise wieder erinnert.

Mit Pjush brachen wir auf, um Diwali zu feiern. Erster Halt: Feuerwerksstand im überfüllten Bazar. Danach gings durch die kerzenbeleuchteten Wohnviertel zum Haus seiner Familie. Sofort wurden wir mit unvorstellbar süssen Süssigkeiten und indischem Gewürztee versorgt und bestaunten die Frauen in ihren herrlichen Saris, die Öllämpchen vorbeibrachten und nach allen Seiten „Happy Diwali“ wünschten. Nachdem ein kleiner Junge wenige Meter von uns entfernt einen dieser mörderisch lauten Knaller abgelassen und ich mir vor Schreck meinen Tee über die Hose geleert hatte - was ihn natürlich köstlich amüsierte – zogen wir weiter. Als nächstes besuchten wir die Grossmutter eines Freundes von Pjush. Die Frau war unglaublich! Ohne zu zögern nahm sie mich unter ihre Fittiche, klopfte mir fröhlich lachend auf die Schultern und verscheuchte mit ihrem Fächer die Mücken, die um unsere Köpfe schwirrten. Und natürlich wurden uns auch hier Süssigkeiten angeboten. „Happy Diwali“ und „goodbye“ und wir fanden uns im Haus des Lehrers wieder. Nach weiterem Kosten von Süssigkeiten und Tee und nachdem wir uns die Schuhe ausgezogen und die Hände gewaschen hatten, führte uns sein Sohn zum hauseigenen Schrein, wo die Familie Lakshmi, die Göttin der Schönheit und des Reichtums, verehrt. Schliesslich standen wir vor dem Haus eines weiteren Freundes der Familie, der uns die einzig „richtigen“ Süssigkeiten, nämlich diejenigen aus Agra, vorsetzte. Zu diesem Zeitpunkt war uns – wen wunderts - schon halb übel und wir waren kaum mehr in der Lage, die verschiedenen Zuckermocken voneinander zu unterscheiden. Ob aus Fatehpur Sikri oder aus Agra - sie waren einfach alle nur noch unglaublich süss! Langsam machten wir uns auf den Weg zurück zum Hotel. Auf der Dachterrasse wurden die erworbenen Raketen und Knaller abgelassen, nebenan begann eine indische Brassband zu spielen. Später am Abend lud uns Pjush ein, bei seiner Familie Thali (typisches indisches Reisgericht mit Currygemüse) zu essen, aber unsere mit all den Süssigkeiten gefüllten Mägen heulten auf, worauf wir höflich ablehnten und uns – wieder im Reinen mit Indien und mit wiedergewonnener Reiselust - schlafen legten.

P.S.: Der Taj Mahal bei Sonnenaufgang war fantastisch – aber nichts für Zyniker und Lebensabschnittspartner

P.P.S.: Das restliche Agra ist schrecklich!

 

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