„Mosqued
out“?
26. Juni 2000
Nachdem wir auf unserer Route durch den Iran
verschiedene grossartige Städte wie Isfahan oder Shiraz besichtigt
hatten, stellte sich irgendwann die Frage, ob wir denn bereits „mosqued
out“ waren. Als wir in Isfahan nachts zum ersten Mal auf dem Meidan-e
Schah, dem Kaiserplatz, standen und in jeder Richtung eine Moschee oder
ein Palast emporragte, kamen wir aus dem Staunen kaum mehr heraus. Und
obwohl die Moscheen mit ihren türkisfarbenen Kuppeln in den anderen Städten
auch fantastisch waren, kamen sie an diesen ersten Eindruck persischer
Architektur in Isfahan kaum heran. Einzig für die Besichtigung des Schah
Tscheragh-Mausoleums in Shiraz, des Mausoleums des Königs des Lichts,
lohnte es sich zweifelsohne, den für uns Frauen vorgeschriebenen Tschador
überzuziehen. Tausende glitzernde Spiegelmosaike reflektieren die
einfallenden Strahlen. Im Innern - Frauen und Männer sind nach Räumen
getrennt - ist es wie in einem grossen Wohnraum; die Leute halten Siesta,
Kinder spielen auf dem Boden, und nur die schluchzenden Frauen am Sarg des
Königs des Lichts erinnern daran, dass es sich hier um eine Grabstätte
handelt.
Also doch noch nicht „mosqued out“? Ganz locker können
wir die in jeder Stadt vorhandene Freitagsmoschee jedenfalls noch nicht
ausfallen lassen. Könnte ja das Foto
werden, also doch noch schnell durch den Bazar hindurch zur Moschee. Nur
passen „schnell“ und „Bazar“ nicht unbedingt zusammen. Hier noch
ein paar Datteln kaufen, dort einige der lecker duftenden Gewürze. Und
falls sich in den Gassen auch noch ein Teehaus befindet, wird die
Besichtigung der Moschee um Stunden hinausgezögert, denn eine
Wasserpfeife muss schliesslich genüsslich zu Ende geraucht werden.
Nur in Yazd folgten wir weniger den Moscheen, sondern
den Spuren Zarathustras, dessen Gemeinde in Yazd noch ca. 12'000 Menschen
umfasst. Feuertempel und Türme des Schweigens, in denen die Toten den
Geiern überlassen wurden, um die Erde nicht zu verunreinigen. Leider
verpassten wir das alljährliche grosse Fest der Zoroastrier, das drei
Monate nach dem iranischen Neujahr in Chak Chak, dem „Mekka“ der
Zoroastrier, gefeiert wird, nur um wenige Tage. Schade, gegen einen
Schluck Wein hätten wir nichts einzuwenden gehabt!
Genau wie Grenzregionen sind auch die Hotels in den Städten
ein idealer Ort, um andere Travellers zu treffen und Reiseinfos
auszutauschen. So stiessen wir in Isfahan wieder auf Harald und Nicole und
und tauschten unsere Erlebnisse aus. Elke und Constantin, die mit ihrem
indischen Motorrad nach zwei Jahren Studienaufenthalt in Indien auf dem Rückweg
nach Deutschland waren, erzählten uns viel über Pakistan und bauten
einige unserer Ängste ab. Auch auf dem Parkplatz vor dem Hotel spielten
sich herzzerreissende Szenen ab, als sich Frieder und Maya aus Kanada in
die Arme fielen, nachdem sie festgestellt hatten, dass ihre Land
respektive Range Rover die gleichen kränkelnden Symptome aufwiesen. Maya
war mit seiner französischen Freundin von Frankreich aus über Syrien und
Jordanien nach Indien und später Japan unterwegs. Apropos Japan: Am
Kaspischen Meer trafen wir auf einen Schweizer, der mit dem Motorrad und
seiner japanischen Kamikaze-Frau im Seitenwagen von Japan her über
Russland, Iran, Türkei zurück in die Schweiz fuhr. Und kurz nach Bam auf
der Fahrt zur Grenze trafen wir zwei Engländer auf ihrer Mission 2000
Expedition, die sie in zwei Jahren einmal um die ganze Welt führen soll.
Ihr voll ausgerüsteter Land Rover Defender war übersät mit
Sponsorenaufklebern, von Leatherman bis North Face. In Zusammenarbeit mit
dem englischen Child Charity Fund wollen sie unterwegs christliche Kinderdörfer
besuchen und Projektberichte an die Hilfsorganisationen liefern. Für mehr
Informationen siehe http://www.mission2000expedition.com .
Gerade wollte ich der iranischen Polizei ein Kapitel
widmen, als wir an einer Strassenkontrolle einmal mehr mit einer Eskorte
versehen wurden. Aber vielleicht sind wir sie bald wieder los, denn sie
scheinen sich über das langsame Tempo des Landi eher zu ärgern... Die
Eskorten sollen angeblich dem Schutz der Touristen dienen und dafür
sorgen, „dass sie nicht von der richtigen Strasse abkommen“ (Zitat).
Sich gegen eine solche Eskorte zu wehren, erwies sich als eher schwierig.
Solange wir einfach auf einer Hauptroute von Punkt A nach Punkt B fahren
wollten, war die Begleitung ja nicht weiter schlimm, aber sobald wir auf
kleineren Strässchen irgendwelche Abstecher machen und von der
„richtigen“ Strasse abkommen wollten, wurde es kompliziert. Von Campen
ganz zu schweigen. Eigentlich hilft neben ein bisschen Glück nur eine
Methode, um einer Eskorte zu entkommen: bei den Kontrollen den Überraschungseffekt
nutzen und unauffällig durchhuschen. Dies ist besonders während der
Siestazeit sehr effizient, wenn die Beamten alle wie tote Fliegen
herumliegen. Und sollte doch noch einer irgendwo herumstehen, einfach
freundlich zum Fenster hinauswinken.
Eine Begegnung mit der Polizei der etwas anderen Art
hatten wir in den Bergen vor Yazd. Auf der Suche nach einem Campingplatz
fahren wir meistens irgendwo von der Hauptstrasse auf eine kleinere
Strasse und verschwinden danach ganz im Gelände. Diesmal gingen wir
eigentlich gleich vor, nur bogen wir direkt in einem Dorf ab, um in die
Berge zu gelangen. Ein paar Kilometer nach dem Dorf schlugen wir hinter
einem Hügel, sichtgeschützt von der Strasse, unser Lager auf. Ein
wunderschöner Campingplatz, mit herrlicher Sicht auf den Viertausender
Shir Kuh und umliegenden Hügeln zum Hochkraxeln. Kurz nach dem Einnachten
tauchte plötzlich ein Scheinwerferlicht am Berg auf. Nach längerem Zögern
folgte der PW unseren Spuren und kämpfte sich auf dem unebenen Gelände
um den Hügel herum, bis die Insassen uns sahen. Wir hörten lautes
Diskutieren und wunderten uns, weshalb sie nicht näher kamen, wie dies
normalerweise der Fall war. Einen Moment lang überlegten wir uns, zu
ihnen hinzugehen, aber da fuhren sie bereits wieder weg. Schade, denn
diese Kontaktaufnahme hätte uns einiges erspart. Wir schliefen friedlich,
als Christoph und ich plötzlich Schritte hörten und von allen Seiten
Gestalten auftauchen sahen. Der eine hatte sich bereits bis auf wenige
Meter genähert, als Christoph mal „Salam“ und „Turist“ rief. Dem
Ladegeräusch des Schnellfeuergewehrs, das mich veranlasste, mich ganz ins
Innere meines Schlafsackes zurückzuziehen – folgte zum Glück ein
„Polis“, worauf sich die Lage etwas entspannte. Hinter den Polizisten
tauchten die mit Schaufeln und Stöcken bewaffneten Dorfbewohner auf. Es
war drei Uhr nachts. Pässe wurden kontrolliert, Erklärungen abgegeben,
Routen aufgezeichnet. Schon bald war das erste Lachen zu hören, es folgte
ein „we’re sorry“ seitens der Polizisten und ein „we’re sorry
too“ von uns. Und bald war der ganze Trupp wieder hinter den Hügeln
verschwunden. Offenbar hatten die Dorfbewohner, die uns zuerst aufgesucht
hatten, richtig Angst vor uns, worauf sie im etliche Kilometer entfernten
grösseren Dorf die Polizei verständigt hatten.
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