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Richtung Nepal
27. September 2000

In Leh wurde es langsam kühl, die meisten Gartenrestaurants schlossen ihre Pforten für den Winter, und wir fanden es an der Zeit, langsam wieder Richtung Flachland zu ziehen. Aber zuerst galt es auf der wunderschönen Leh-Manali Strecke noch ein paar Pässe zu überqueren, die allesamt über 5000m oder knapp darunter lagen. Seit langem fuhren wir wieder einmal alleine; den Funk hatten wir in Leh abgeschraubt. Frieder, Marzena, Bernhard, Axel und Ute waren schon seit Tagen wieder zu Hause, mit der Verschiffung in Delhi schien alles bestens geklappt zu haben, doch den e-mails entnahmen wir, dass noch niemand ausser Bernhard so richtig ans Arbeiten dachte. Christoph und ich wollten an diesem ersten Fahrtag eigentlich bis Sarchu kommen, wo wir beim Hochfahren schon einige Tage verbracht hatten. Doch als wir um 13.20 Uhr im Zeltdorf Pang ankamen, hiess es beim Militärposten, wir wären 20 Minuten zu spät, man müsse den Ort vor 13 Uhr erreichen und spätestens um 14 Uhr wieder verlassen, um noch weiterfahren zu können. Wir hatten uns leider nur noch an letztere Regelung erinnern können, und die Militärs liessen überhaupt nicht mit sich reden. Hier war es auch, wo Christoph von irgendeinem höheren Militär die beiden weisen Ratschläge mit auf den Weg bekam, sich nie mit einer Person in Uniform oder jemandem von einem schlechteren Bildungsstand anzulegen (damit meinte er seinen Untergebenen, der die Schranke vor dem Dorfeingang bediente). Na ja, so schlimm war es nicht in Pang, es gab überall kleine Restaurants, und ausserdem wussten wir, dass Jérôme und Cécile aus Lausanne, die wir ebenfalls in Leh getroffen hatten, irgendwann in ihrem Jeep vorbeikommen und ebenfalls hier stranden würden. Und da waren sie auch schon. Wir schlugen nebeneinander unser Camp auf, kochten gemeinsam was und waren uns einig, dass Pang doch eigentlich ganz ok war. Am Abend des folgenden Tages erreichten wir Manali und damit wieder den Monsun, freuten uns aber über ein einigermassen funktionierendes e-mail (mit nur einem Stromausfall). Dennoch reizte uns Manali nicht unbedingt für einen längeren Aufenthalt und wir steuerten unser nächstes Ziel an, Shimla, jedoch nicht auf dem direktesten Weg. Es lag ein Pass dazwischen, der zwar mit seinen ca. 3000m nicht sehr hoch, dafür aber umso steiler war (wir fragten uns ja schon, wie der Landi dies geschafft hatte, wo wir doch oft nur noch im ersten Gang um die Kurven kamen!). 

Shimla ist ein angenehm kühler Hill Resort, der im Sommer vor allem von Indern aus den unerträglich heissen Städten Delhi und Kalkutta aufgesucht wird sowie von frischverheirateten Paaren, die dort ihre Flitterwochen verbringen. Die Stadt klebt auf beiden Seiten eines steilen Hügelzugs, und die Architektur ist sehr britisch-kolonialistisch geprägt. Wer mit dem Auto in Shimla eintrifft, hat erst mal ein kleines Problem, da weite Teile der Stadt für private Fahrzeuge gesperrt sind und die Hotels an der Hauptverkehrsstrasse kaum über Parkplätze verfügen. Irgendwie schafften wir es doch, auf die „Mall“ zu gelangen und fanden ein schönes kleines Hotel, zu Fuss ca. 25 Minuten vom Zentrum entfernt. Nach einem kurzen Stadtrundgang beschlossen wir, noch einen Tag länger hier zu bleiben und einiges zu erledigen. Am nächsten Morgen mussten wir uns jedoch mit Händen und Füssen gegen einen unserer Hotelmanager wehren, der Wildlife Ranger in einem nahegelegenen Naturreservat war und uns unbedingt dorthin schleppen wollte. Alle paar Minuten klopfte es wieder an unserer Zimmertür und er überbrachte uns einen neuen Zettel, auf dem er uns förmlich einlud, mit ihm ein paar Tage zu verbringen. Das sah etwa so aus:

„Invitation“

For 15.9.2000

If you want to study about Shimla and Kufri Geological National Park I am free for today and I will provided for you full day on friendly basis and lunch will be provided you at Kufri from my side. It will be my great pleasure if you accept my request.

For 16.9.2000

If you want to be my Range Guest then I will provided to free lodging and free food in my Churdhar Sanctuary.

Yours Newly Friend
(und mindestens zehn offizielle Stempel von seinem Naturreservat...)

Klingt ja alles sehr nett, aber der gute Mann war uns einfach zu nervös und aufdringlich und konnte unser Zögern überhaupt nicht verstehen. Später gingen wir in die Stadt und kamen erst relativ spät zurück ins Hotel – ihn aber sahen wir bis zu unserer Abreise nicht mehr. Wahrscheinlich hatte er doch verstanden, dass wir andere Pläne hatten...

Wir fuhren also weiter Richtung Nepal und erreichten am nächsten Abend Rishikesh, das durchaus auch einen Abstecher wert ist. Die Stadt liegt am Tor des heiligen Ganges und ist daher selbst auch sehr heilig. An jeder Ecke steht ein Tempel mit unzähligen Gottheiten, in orange Tücher eingehüllte Sadhus – heilige Männer, die ein sehr asketisches Leben führen – sitzen davor. Kein Wunder, dass Rishikesh zur indischen Yoga- und Meditationshauptstadt wurde und von Hunderten von westlichen Touristen aufgesucht wird, die hier ihren Guru zu finden hoffen – so auch die Beatles in den 60er Jahren, mit Erfolg. Christoph und ich fanden diese Stätte zwar sehr eindrücklich, doch verspürten wir momentan gerade kein Bedürfnis, uns in die Hände eines Gurus zu begeben... Wir fuhren weiter nach Nainital (Tal = See), einem weiteren viel gepriesenen Hill Resort, der an einem kleinen See liegt, der jedoch von jedem Schweizer Bergsee haushoch übertroffen wird. Abgesehen von dem sehr angenehmen Klima vermochte uns dieser Ort kaum zu beeindrucken, Hotels und Restaurants waren ziemlich überteuert und auch hier war alles voll indischer Touristen, die – verständlicherweise - den heissen Städten weiter südlich zu entfliehen versuchen.

Am 18. September überquerten wir die Grenze nach Nepal. Die Zufahrt zum Grenzort Banbasa auf der indischen Seite war ein gemütlicher Sonntagsspazierweg, auf dem sich Fahrradrikshaws, Büffel, Gänse, Enten usw. tummelten. Die Ausreise war problemlos, die Einreise eigentlich auch. Am nepalesischen Zoll dauerte es ein Weilchen, bis von den vorhandenen Beamten schliesslich einer verknurrt wurde, sich um das Carnet de Passage, das Zolldokument fürs Auto, zu kümmern. Holländer, die wir später in Pokhara trafen, erzählten uns, sie wären aufgefordert worden, das Carnet gleich selbst auszufüllen, da sie nach all den Grenzen doch langsam wüssten, wie das ginge... Der Immigrationsbeamte war enttäuscht, dass wir bereits ein Visum für Nepal besassen; er meinte, es wäre doch viiiiel einfacher gewesen, dieses direkt an der Grenze zu besorgen und wir sollten das doch bitte den anderen Touristen weitersagen. Kein Wunder, denn später erzählte uns ein Nepali von einem Grenzbeamten, der zusätzlich zur Visumsgebühr jeweils noch 2% Kommission verlangte, die natürlich in seine eigene Tasche wanderten. Soviel zum Thema Korruption in Nepal... Die Miene eben dieses Beamten hellte sich kurz auf, als er Sherlock Holmes gleich zu entdecken glaubte, dass unser Visum bereits abgelaufen sei, da das Ausstellungsdatum, der 26. März 2000, schon mehr als 6 Monate zurückliege. Er machte folgende Rechnung fein säuberlich auf einem Blatt Papier:

26.3. – 1 mont
26.4. – 2 months
26.5. – 3 months
26.6. – 4 months
26.7. – 5 months
26.8. – 6 months
26.9. – ha, there you go: 7 months – you need a new visa!

Na ja, es dauerte ein Weilchen, bis wir ihm erklären konnten, dass nicht der März, sondern der April der erste Monat ist, aber nach mehrmaligem weiterem Abzählen mit den Fingern liess auch er sich von dieser doch eigentlich recht banalen Tatsache überzeugen und wir waren in Nepal.

In Mahendranagar, der ersten grösseren Stadt nach der Grenze, richteten wir uns für die Nacht im Hotel Sweet Dream ein, tranken ein richtig gutes nepalesisches Bier (nach dem indischen Gebräu eine Wohltat!) und erholten uns von der Fahrerei der letzten Tage. Alle hatten uns vor den schlechten Strassen in Nepal gewarnt, deshalb waren wir umso positiver überrascht, als uns für die Fahrt Richtung Osten durch das Terai ein praktisch neuer Superhighway erwartete. Diese Strecke war wegen der unzähligen Flussdurchquerungen noch vor zwei Jahren ausschliesslich während der Trockenzeit befahrbar gewesen. Wir konnten uns dies sehr gut vorstellen, als uns ein Monsunschauer überraschte und wir vor einem Fluss, der sich innerhalb von wenigen Minuten in einen reissenden Strom verwandelte, über zwei Stunden warten mussten, bis das Wasser wieder soweit abgesunken war, dass sich der erste Bus hinüber wagte. Zögernd fuhren auch die anderen Busse und Lastwagen los, und als der erste Jeep sicher am anderen Ufer angekommen war, wagten es auch wir. Nach einer weiteren Flussdurchquerung gelangten wir in den Royal Bardia Nationalpark, wo wir ein paar Tage bleiben wollten. Am Parkeingang trafen wir einen Mann namens „B“, der uns in seiner ruhigen nepalesischen Art ansprach und von seinem einfachen Guesthouse sowie seiner Tätigkeit als „naturalist“ – nature guide - erzählte. Uns war „B“ auf Anhieb sympathisch und dieser erste Eindruck verstärkte sich in den folgenden Tagen noch. Wir logierten in einer einfachen Lehmhütte mit Strohdach, dem weitverbreiteten Baustil im Süden Nepals, nebenan wohnte „B“ mit seiner Frau und seinen drei Kindern. Jeden Abend sassen wir zusammen am Lagerfeuer und assen Dal Bhat, das tägliche Reisgericht der Nepalesen (und Inder), das uns hier komischerweise viel besser schmeckte als auf dem Trek in Ladakh. „B“ erzählte uns viel über Nepal, über die politische Situation, die veränderten Lebensbedingungen der Bevölkerung auf dem Land, über pflanzliche Heilmittel und natürlich über die Tier- und Pflanzenwelt, die er über alles liebte. Den ersten Junglewalk unternahmen wir mit dem liebenswerten Buddi, dem 19jährigen Neffen von „B“, ebenfalls ein passionierter „nature guide“. Bewaffnet mit Bambusstöcken und dicken Socken gegen die unzähligen Blutegel, die sich während der Regenzeit im Dschungel tummeln, liefen wir los. Die Blutegel übertrafen unsere Erwartungen bei weitem; alle paar Meter mussten wir anhalten, um die Neuankömmlinge wegzuspicken und die bereits festgesaugten Ekel mittels Salz zu entfernen. Dafür machten sich die grossen Tiere wie Tiger, Elefant und Nashorn rar, wir sahen zwar viele Hirsche, Affen, bunte Vögel, Eulen, einen Otter, eine Schlange und viele Spuren von Tigern, Nashörnern und Elefanten, aber die Tiere selbst versteckten sich im dichten Dschungel. Aber wir waren uns bewusst, dass September nicht die beste Zeit ist, um Tiere zu beobachten. Einerseits trug der Fluss, der durch den Park fliesst, noch zuviel Wasser, um auf die andere Seite zu gelangen, wo sich die meisten Tiere aufhalten, andererseits sind die Tiere einfach weniger auf die Wasserstellen angewiesen, an denen sie im Winter leicht gesichtet werden können. Dennoch genossen wir diesen Tag im Dschungel – trotz Blutegel – sehr. Am nächsten Tag machten wir mit Buddi einen Spaziergang ausserhalb des Parks und sahen tatsächlich am entfernten Flussufer einen wilden Elefanten. Doch „B“ wollte uns unbedingt noch auf die andere Seite des Flusses bringen und organisierte für den nächsten Tag eine Überquerung per Boot für uns. Diesmal war er unser Guide. Die Blutegel waren zurückhaltender, dafür war der Dschungel auf dieser Seite viel dichter und die Wege seit Monaten unbegangen, so dass wir uns mit beiden Armen vor dem Kopf durch mannshohes Gras und verwachsene Büsche schlugen. Allen voran „B“ mit seinem Buschmesser – wie im Film. Überall trafen wir auf frische Tiger- und Elefantenspuren und schon bald waren wir uns nicht mehr so sicher, ob wir diesen Tieren wirklich begegnen wollten. Aber für solche Gedanken war es bereits zu spät, denn plötzlich hörten wir im hohen Gras, wo man keine zwei Meter weit sieht, ganz in der Nähe seltsame Grunzgeräusche und blieben wie versteinert stehen. „B“ machte ein paar Schritte in die Richtung, aus der die Geräusche kamen, während Christoph und ich ebenfalls angestrengt versuchten, das Tier zu identifizieren. Einmal meinte Christoph, einen gestreiften Rücken gesehen zu haben, was nicht gerade zu unserem Wohlbefinden beitrug... Wir sahen aber nichts und schliesslich meinte „B“, es wäre besser, das hohe Gras zu verlassen, da es hier praktisch unmöglich wäre, sich vor den Tieren in Sicherheit zu bringen. Wir liefen ein paar Schritte weiter, bis wir auf ganz frische Nashornspuren trafen... Vom Zeitpunkt dieser Begegnung an war ich noch mehr hin- und hergerissen zwischen dem Verlangen, wilde Tiere zu sehen, und gleichzeitig der Hoffnung, doch keinen wirklich zu begegnen – an sich ein faszinierendes Gefühl .Doch „B“ führte uns unbeirrt weiter durch den Dschungel. Einmal hörten wir in der Nähe das Brüllen eines Tigers, doch das Tier selbst sahen wir nicht. Am Ende des Tages war „B“ enttäuscht, dass er uns nicht mehr Tiere hatte zeigen können, doch wir waren mehr als zufrieden mit diesem weiteren Tag im Dschungel. Mit dem Versprechen, irgendwann im Mai/Juni wiederzukommen, der besten Zeit, um Tiere zu sehen, verabschiedeten wir uns. Wir fuhren weiter durch das Terai und genossen die wunderschöne Landschaft mit den vielen Reisfeldern und Lehmhütten. Die Strasse war weiterhin ausgezeichnet, beinahe Schweizer Verhältnisse abgesehen von den Kühen und Büffeln und Schafen und Gänsen, die immer gerade vor unserem Auto die Strasse queren wollten. Einmal wurde es wirklich knapp, als ein Nepali seine Kühe ausgerechnet in dem Moment über die Strasse scheuchte, als wir angebraust kamen. Irgendwie schafften wir es, zwischen der ersten und zweiten Kuh hindurchzuschlüpfen und nach einer Vollbremsung im Schlamm neben der Strasse zu landen. Zum Glück, den offenbar ist die für eine tote Kuh zu entrichtende Strafe etwa gleich hoch wie diejenige für einen Menschen. In Butwal endete für uns der Highway und wir lernten die eigentlichen nepalesischen Strassenzustände kennen. Die Strasse nach Pokhara über die Berge war eine einzige Schlaglochpiste...

In Pokhara suchten wir als erstes den direkt am See gelegenen Campingplatz auf, und als wir dort Riela, Jerun, Ester und Erik aus Holland, unterwegs auf zwei Motorrädern und einem Landrover, trafen, brauchten wir nicht lange zu überlegen und liessen uns ebenfalls dort nieder. Die vier waren zur selben Zeit wie wir zu Hause losgefahren und mehr oder weniger auf derselben Strecke wie wir nach Nepal gelangt. Offenbar hatten wir uns, wie sich herausstellte, unterwegs immer knapp verpasst. Jedenfalls gab es - und gibt es noch immer - viel zu erzählen! Wir haben endlich mal wieder so richtig Zeit, all unsere Sachen zu waschen, den Landcruiser zu putzen und gewisse Dinge zu flicken – Haushaltsarbeiten, sozusagen.

Viel früher als erwartet traf Gaby ebenfalls hier ein, nach einer Rekordbusreise von Dharamsala nach Pokhara in drei Tagen beziehungsweise Nächten. Umarmen durften wir sie nicht, sie war viel zu dreckig und machte überhaupt einen ziemlich fertigen Eindruck. Kein Wunder, hatte sie doch unsägliches Pech mit ihren Sitznachbarn gehabt; statt charmanten jungen Nepalis oder gar westlichen Touristen erwarteten sie betrunkene, kotzende und grabschende alte „Säcke“... So muss auch sie sich zuerst ein paar Tage ausruhen, bevor wir die nächsten Pläne schmieden.

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