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R I P - D E A L

Fünf Millionen Rip-Deal

Ein Fünf-Millionen-Dollar-RipDeal

Ein Fünf-Millionen-Dollar-RipDeal

Dienstag August 14th 2007, 9:51 pm

Abgelegt unter: Verbraucherschutz , Tagesthemen

Die Geschichte eines Betrugs. Mitwirkende: Ein Kaufmann, eine Dame und gefällige Italiener.

Geld braucht der Mann. Allem Anschein nach ist er wohlhabend, selbständiger Kaufmann, aber das Wasser steht bis zum Hals. Der Handwerksbetrieb läuft nicht gut und seine diversen Immobilien bei der Bank beliehen. Mit einem Mal sollen die Zinsen verdoppelt werden, die Zinsbindung läuft aus. Das kann der Mann nicht aufbringen, die Bank rät die Immobilien umzuschulden. Der Mann muß einen finden, der ihm ein Darlehen gibt. 5 Millionen, sonst gehören seine schönen Häuser der Bank.

Er fährt nach Berlin. Hier hat er eine Freundin, die kennt einen Mann, der kennt eine Frau und die kennt sich mit Finanzen aus. Nennen wir sie Weber - Angelika Weber, Finanzdienstleisterin. Angelika soll helfen, der Bekannte der Freundin stellt den Kontakt her, ein Büro im Grunewald.

Unser Kaufmann wird in ihr schickes Büro geladen, er hat einen Ordner mit den Unterlagen seiner Immobilien dabei, er nennt die Summe seines Wunschkredites - 5 Millionen. Verschiedene Möglichkeiten gebe es, sagt Frau Weber, zum Beispiel italienische Investoren. Der Kontakt wird hergestellt, ja, man könne finanzieren, sagen die Italiener. Allerdings müsse man sich kennenlernen, unser Kaufmann soll nach Mailand kommen.

Auf nach Mailand also mit Frau Weber, morgens hin, abends zurück. Am Flughafen holt der Dolmetscher sie ab, Herr Aldo, es geht in die Innenstadt in ein Nobelhotel. Die Investoren fahren vor, sie entsteigen einem hochklassigen Mercedes, zwei Herren, die sich als Martini und Salvatore vorstellen, ihre Anzüge sitzen tadellos. Sie begrüßen Frau Weber, der Kaufmann hat das Gefühl: die kennen sich, tausendprozentig.

Superkonditionen stehen im Entwurf des Darlehensvertrages: über fünf Jahre soll er laufen, zu zwei Prozent Zinsen - fünf Millionen Dollar, in bar. Eine Menge Dollars besitzen die Italiener, aus irgendwelchen Gründen können sie diese nicht tauschen. Mitbringen solle man 500 000 Euro, Nebenkosten sozusagen für Kreditversicherung und so. Selbstverständlich wird diese Gefälligkeit gutgeschrieben, es gibt 6 Millionen Darlehen. Ein Päckchen liegt dann auf dem Tisch, Dollarnoten in Plastik verschweisst. Unser Mann solle es ruhig aufreissen und prüfen - das Geld wird später so verschweisst übergeben werden. Er soll es auch in einer Wechselstube tauschen, die Prozedur verläuft reibungslos. Es ist ordentliches Geld, behalten darf er es auch noch.

Frau Weber, die zu jener Zeit nicht nur in Berlin wohnt, sondern auch für die Schweiz ein Aufenthaltsrecht besitzt, weiß in Zürich eine Bank, bei der der Mann die Dollar dann als Tagesgeld bunkern kann, bevor sie den elektronischen Heimweg antreten, zur Hausbank des Kaufmanns. Es ist alles bestens geregelt, man verabredet die Übergabe. Termin: April 2006, Ort: Turin.

Ein Privatflugzeug wird von Frau Weber geordert, denn es ist sicherer, von einer Almwiese aus zu starten, wenn man sechs Millionen von Italien in die Schweiz bringen will. Man entgeht Dieben und lästigen Kontrollen. Dem Kaufmann ist die Sache aber zu teuer, er storniert die Bestellung und erfährt bei dieser Gelegenheit, dass aus Frau Weber inzwischen Frau Bitter* geworden ist, unter diesem Namen hatte sie das Flugzeug geordert. Ohnehin ist er klamm, die geforderten 500 000 Euro hat er nicht zusammenbekommen, in seinem Brustbeutel steckt nur die Hälfte, 250 000 Euro.

Auf einem Parkplatz von McDonald’s in Turin nimmt die Tauschaktion ihren Anfang. Anwesend sind der Kaufmann, Frau Weber, Herr Aldo und die italienischen Investoren Salvatore und Martini. Aber weil Mittagszeit ist und die Banken erst um drei wieder öffnen, geht man essen. Nicht bei McDonald’s natürlich, sondern stilvoll, wie es einem so grandiosen Geschäftsabschluss entspricht.

Die Geldübergabe dann vollzieht sich im vergitterten Tresorraum einer Bank. Sie sind zu viert: der deutsche Kaufmann und seine Finanzberaterin, Herr Salvatore, der kein Deutsch spricht, und ein Bankangestellter. Als das Schließfach geöffnet ist, verlässt der Angestellte den Raum. Salvatore zeigt unserem Mann die Dollarpäckchen, sie gleichen dem vom ersten Treffen in Mailand aufs Haar: Hunderter, in trübe, schwach durchsichtige Folie verschweißt, mit dünnen roten Gummibanderolen oben und unten. In der Mitte des Raumes steht ein Tisch, die Päckchen wandern dorthin und von da in zwei schwarze Pilotenkoffer. So zählt unser Mann nur die Päckchen - man hat sich auf drei Millionen Dollar als erste Rate geeinigt -, holt die 250 000 Euro unter seinem Hemd hervor und überreicht sie dem Herrn Salvatore. Der beklebt noch die Koffer mit Banderolen, dann begeben sich alle gemeinsam zurück zum McDonald’s-Parkplatz. Salvatore und Martini sagen Arrivederci. Und sind fortan nicht mehr gesehen.

Unser Kaufmann aber schlief den süßen Schlummer dessen, dem das Glück hold ist. Neben seinem Bett stand der Dollarkoffer - den anderen hatte die Finanzberaterin bei sich - sie schliefen getrennt. Als es am nächsten Morgen darum ging, die Zimmer zu bezahlen, kam das jähe Erwachen. Der Kaufmann war blank, er zog ein Dollarpäckchen aus dem Koffer, riss es auf und erstarrte: nur das obere und das untere Blatt waren Dollarnoten, dazwischen weißes Papier.

Jetzt war guter Rat teuer. Zuerst einmal deponierte er die Koffer in einem Schließfach am Bahnhof. Als er dann in einer Wechselstube prüfen wollte, ob wenigstens die Dollar-Scheine echt wären, kam die Polizei: Die Scheine trugen den Aufdruck Faksimile, was nichts anderes als Fälschung bedeutet, die Schrift war allerdings geschickt durch die roten Gummibänder verdeckt gewesen. Der Kaufmann sagte schnell, man hätte ihm die Scheine in der Spielbank untergejubelt. Er wollte nicht in der Schweiz hinter Gitter kommen.

Die Finanzberaterin bleibt erstaunlich gelassen, sie ruft Herrn Aldo an, der offenbar mehr ist als ein Dolmetscher. Der kann gar nicht glauben, was man ihm erzählt, will Rücksprache mit Salvatore und Martini halten, alles werde sich fügen. Etwas später heißt es aber, Martini sei der Schuft, habe die echten Dollar gegen Falschgeld ausgetauscht und sich aus dem Staub gemacht, also auch Salvatore betrogen. Wiederum etwas später ist auch Salvatore verschwunden.

Zurückgekehrt nach Deutschland, ruft der Kaufmann immer wieder bei der Frau an, ob sie schon etwas Neues wisse. Man solle die Ruhe bewahren, lässt Herr Aldo aus Mailand ausrichten, man werde Salvatore schon finden. Man fand ihn nicht. Dann gerieten auch die Auskünfte von Frau Weber immer einsilbiger. Später wurde in ihrem Büro nur noch der Hörer aufgelegt, wenn der Kaufmann anrief. Dann war auch Frau Weber verschwunden. Der Kaufmann beauftragte eine Wirtschaftsdetektei, die sollten sie suchen. Die stellten Fotos ins Internet, starteten eine Kampagne: Vorsicht vor dieser Frau! Doch irgendwann waren sie am Ende ihres Lateins, sie hatten die Finanzberaterin nicht gefunden. Neun Monate nach dem Betrug erstattete der Kaufmann Anzeige bei der Polizei.

Nach einer Woche hatten wir sie, sagt Ralf Kahlbau, er ist Kriminalhauptkommissar beim Landeskriminalamt, Kommissariat 315, Abteilung organisierte Wirtschaftskriminalität. Seit fast vier Jahren landet eine Sache zentral immer beim LKA 315: der Rip-Deal. Der Begriff wurde zuerst von der holländischen Polizei auf die kriminellen Methoden im Drogendealermilieu angewandt, rip wie reißen, entreißen. Rip-Dealer machen europaweit Kapitalanlagegeschäfte, in denen wohlhabende Leute um einen beträchtlichen Batzen Geld geprellt werden. Die Reichen wollen Villen verkaufen, Pferde, Autos, Yachten, Kunstwerke, Schmuck. Millionenobjekte, die man nicht so ohne weiteres los wird. Oder sie brauchen Darlehen. Millionenbeträge, die einem nicht ohne Weiteres gegeben werden. Wie unserem Kaufmann.

Da hat sie gesessen, sagt Kahlbau und zeigt auf den Stuhl am Schreibtisch gegenüber, Frau Weber, nachdem die Ermittler sie in ihrem neuen Büro in Kudamm-Nähe aufgespürt hatten. Die Detektive hatten lediglich herausbekommen, dass sich die Frau in Berlin aufhalten dürfte, dann wandten sie sich Hilfe suchend ans LKA. Wir können nur ermitteln, wenn das Opfer selber dazu bereit ist, sagte Kahlbau. Der Kaufmann war bereit, und Frau Weber kam in Haft.

An der Wand in Kahlbaus Rücken hängen Köpfe. Eine Europakarte mit den Passbildern von Rip-Deal-Tätern - nur zwei Frauen sind dabei. Ein Zeitungsausschnitt mit sechs Fotos: Die Polizei sucht diese miesen Betrüger. Ein italienisches Fahndungsplakat: Questura die Milano. Operazione Rip Deal. Vier Männerköpfe sind darauf zu sehen. Im Polizeicomputer sind über 2000 Lichtbilder von Leuten gespeichert, die bei Rip-Deal-Taten schon einmal in Erscheinung getreten sind. Die Tätergruppen stammen vorzugsweise aus dem ehemaligen Jugoslawien. Mobile ethnische Minderheiten, sagt Kahlbau. Alle ihm im Zusammenhang mit Rip-Deal bekannten Personen sind Roma, ihre Rückzugsräume sind Österreich, Italien, Frankreich. Eine Gruppe in Deutschland Aktiver wohnt im Ruhrgebiet. Werden sie festgenommen, haben sie gefälschte oder gestohlene Papiere. Sie verändern ständig ihre Identität, ihr Äußeres und ihre Telefonnummern. Eine Zeit lang wurden Anbahnungsanrufe aus einem Hamburger Asylantenheim getätigt: Sie wollen eine Villa verkaufen für fünf Millionen? Wir haben einen Interessenten. Es geht immer um Millionenobjekte, darunter verschwenden sie ihre kriminelle Energie erst gar nicht.

Sie sind hervorragend vernetzt, ihre führenden Köpfe sind gebildet, haben Manieren, tragen Maßanzüge. Sie studieren Anzeigen und Inserate in Zeitungen und im Internet. Sie sind befähigte Psychologen und Regisseure. Für die Opfer wird ein regelrechtes Theaterstück inszeniert, in zwei oder drei Akten, wie bei dem Kaufmann aus dem Norden. Die Dramaturgie folgt immer den gleichen Gesetzen, die Rollen der Akteure wechseln: Jemand will zum Beispiel ein Haus verkaufen oder Rennpferde, es meldet sich ein “Anbahner” (der Kleinste in der Hierarchie der Gruppe, die meist aus drei Leuten besteht) im Namen eines arabischen Geschäftsmannes, eines Investors aus Italien oder gar eines Ölscheichs. Kahlbau zeigt auf Fotos: Die beiden treten gerne als Scheich und Sohn auf, sie sind auch im wirklichen Leben Vater und Sohn, gemeldet in Deutschland, wohnhaft in einem Vorort von Mailand, der Sohn wird gerade mit internationalem Haftbefehl gesucht.

Bis 2006 haben die Trickbetrüger in der Bundesrepublik bei etwa 2000 angezeigten Fällen um die 60 Millionen Euro erbeutet. Intelligente Leute sind schon auf die Rattenfängermasche hereinfallen, Steuerberater, Lehrer, sogar der Chef einer Bankfiliale. Manche zerbrechen an dem Unglück, es soll auch Selbstmorde gegeben haben. Ein Geschäftsführer vom Berliner katholischen Petruswerk, dem bei einem Villenverkauf 184 000 Euro Firmengelder abgeluchst worden waren, starb nach einem Herzinfarkt.

Deutschland ist ein reiches Pflaster, das größte “Geberland”, sagt Kahlbau. Jede Woche schlägt irgendwo eine Tätergruppe zu, jede Woche gibt es ein neues Opfer. Die Dunkelziffer ist hoch, man rechnet eins zu zehn. Viele Geschädigte scheuen sich zu offenbaren, was ihnen widerfahren ist. Sie schämen sich ihrer Dummheit. Sie fürchten, sich selbst zu belasten, weil sie sich in dubiose Geschäfte eingelassen haben, nicht zu vergessen der steuerliche Aspekt. Sie haben Angst, weil ihnen gedroht wurde. Sie erstatten Anzeige im Tatort-Land und denken, dann weiß auch die deutsche Polizei Bescheid. Irrtum. Das föderalistische Deutschland allein erschwert schon die Ermittlungen über die Grenzen der Bundesländer hinweg.

Kahlbaus Wunsch wäre eine ganze Woche lang Öffentlichkeit. Jeden Tag in allen Zeitungen, in Rundfunk und Fernsehen Berichte über Rip-Deal, bis alle gewarnt sind. Dann würde niemand mehr darauf reinfallen. Dann müsste sich Kahlbau ein anderes Arbeitsgebiet suchen. Im Moment sieht es aber eher nach mehr Arbeit aus.

Richter Detlef Fischer vom Amtsgericht Tiergarten verurteilte Frau Weber zu zwei Jahren, zehn Monaten Gefängnis. Er ist der Ansicht, eine so erfahrene Finanzberaterin könne niemals so naiv und gutgläubig sein, wie sie vorgibt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, Frau Weber und ihr Anwalt sind in die Berufung gegangen.

Unser Kaufmann wird wieder nach Berlin kommen müssen zur hochnotpeinlichen Befragung in einem neuen Prozess. Und ein anderer Richter wird vielleicht erstaunt dieselben Fragen stellen wie Richter Fischer in Moabit: Sind Ihnen keine Bedenken gekommen? Kam Ihnen das nicht komisch vor? Haben da nicht alle Alarmglocken geläutet? Um am Ende kopfschüttelnd zu konstatieren: So was gibt’s doch gar nicht!