khalin gibran
versch. autoren
hans-christoph neuert
Gedichte und Worte

spielregeln, für männer die mich lieben wollen

1.
Mich zu lieben muss ein Mann
von meiner Haut den Vorhang wegziehen
bis auf den Grund meiner Augen sehen
und erkennen das in mir nistet
die durchsichtige Schwalbe Zärtlichkeit

2.
Mich zu lieben darf ein Mann
mich nicht wie eine Ware besitzen wollen
mich nicht vorführen wie eine Jagdtrophäe
er wird an meiner Seite stehen
mit der gleichen Liebe
wie ich an seinen

3.
Mich zu lieben, muß die Liebe
eines Mannes stark sein wie Ceibobäume,
so schützend und sicher
und so klar wie ein Dezembermorgen.

4.
Mich zu lieben darf ein Mann
meinem Lächeln nicht Misstrauen
er soll Trauer und Schweigen achten
und auf meinem Leib mit Liebkosungen spielen
wie auf einer Gitarre , Melodien
und Freude aus der Tiefe meines Körpers locken

5.
Mich zu lieben muss ein Mann
in mir das Bett für die Last seiner Sorgen sehen,
eine Freundin mit der er seine Geheimnisse teilt
einen See in dem er treibt
ohne Angst, dass ein Anker von Verpflichtungen
ihn am fliegen hindert, wenn er Lust hat ein Vogel zu sein.

6.
Mich zu lieben, muss ein Mann
Poesie aus seinem Leben machen
jeden Tag neu gestalten
mit dem Blick in die Zukunft

7.
Mich zu lieben aber muss ein mann
vor allem mein Volk lieben,
nicht als abstrakten Begriff
aus dem Ärmel gezogen,
sondern als etwas Wirkliches, Greifbares,
dem er mit seinen Handlungen Ehre macht
und sein Leben gibt, wenn es notwendig ist.

8.
Mich zu lieben, muß ein Mann
mein Gesicht im Schützengraben erkennen,
mich lieben mit dem Gewehr im Anschlag,
wenn wir beide gemeinsam
die Feinde abwehren-

9.
Die Liebe meines Mannes
scheut nicht hinzugeben
noch fürchtet sie auf einem belebten Platz
sich im Zauber des verliebtseins zu entdecken
Er kann laut rufen : ich liebe dich
oder Anschläge auf die Häuser kleben
die sein Recht auf das herrlichste
und menschlichste aller Gefühle proklamiert

10.
Die Liebe meines Mannes
flieht nicht vor Küchendunst
und nicht vor Kinderwindeln
wie ein frischer Wind ist sie
der in Wolken aus Traum und Zeit
die Hemmnisse davonträgt die uns über Jahrhunderte trennten
wie verschiedenartige Wesen

11.
Die Liebe meines Mannes
will mich nicht festlegen, nicht einordnen
sie gibt mir Luft, Nahrung, Raum
zu wachsen und reicher zu werden
so wie jeder neue Tag
eine Revolution entfaltet


[Gioconda Belli]


 




wie ein krug

In den guten Tagen, mit Regen
als unerschöpflich
wir uns liebten,
als wir uns einander
öffneten, einer dem andern,
wie heimliche Höhlen,
in diesen Tagen, Geliebter
wie ein Krug fing mein Körper
all das weiche Wasser auf,
das du über mich strömen ließest,
und jetzt,
in diesen Tagen der Dürre,
wenn deine Abwesenheit die Haut
schmerzt und aufschürft,
fließt Wasser aus meinen Augen,
gesättigt von deinem Andenken,
und benutzt meinen trockenen Körper,
so leer und so voll von dir.


[Gioconda Belli]


 




erfinden wir unsere eigene sprache

Geliebter,
und uns werden die Augen groß:
Dinge sehen wir dann, die niemand sah,
Wege zwischen den Wolken,
lieder in den Weizenfeldern.
Unter die Röcke sehen wir dann dem Wind,
wie seine Lippen das Wasser küssen.
Wirgehen dann ungezwungen,
ohne Schuhe und nackt,
wie unsichtbare Geister.
Worte und Lachen malen wir dann
auf die Mauern in der Welt
während aus unseren Körpern die Liebe strömt,
sprudelnd,
glucksend,
plätschernd wie aus Brunnen.


[Gioconda Belli]


 




diese sehnsucht

Dieser Traum den ich lebe,
diese Sehnsucht mit Vor- und Zunamen
dieser Wirbelstrom, gefangen in meinen bebenden Knochen
der heulend seinen Weg durch mein Blut beklagt ...

Ich kann die Zeit nicht verlassen und ihre Verstecke,
das Tal meiner Tage
ist voll namenloser Schatten,
ich gehe in die Einsamkeit wie eine arme Seele
bar aller Vernunft,
Heldin verlorener Schlachten
und wasserloser Krüge.
Ich sinke ein in meinen Körper,
verblute mich in die Venen,
ich kämpfe gegen den Wind,
gegen die Haut, die an meiner klebt.

Was soll ich tun mit meinem Geisterschloß
mit den Sternschnuppen, die mich belagern
da die Sonne mich blendet
- ich sehe nur ihre gelbe Scheibe -
und ihr goldener Schweif mir die Hand leckt
mir die Nächte durchpflügt,
mich entlebt
und mir Unheil bringt ...

Ich werde mich den Wirbelstrümen ausliefern
und so weit fort wie möglich
dies brennende Licht durchqueren.
Ich komme um vor Kälte.


[Gioconda Belli]


 




liebe

Kleide mich in Liebe
denn ich bin nackt,
bin unbewohnte Stadt,
benommen vom Lärmzitternd vom Zischern,
trockenes Blatt im März.

Umhülle mich mit Freude,
ich wurde nicht geboren, um traurig zu sein,
die Traurigkeit ist mir zu weit
wie ein fremdes Kleid.

Ich will wieder brennen,
den salzigen Geschmack der Tränen vergessen,
die Löcher in den Lilien,
die tote Schwalbe auf dem Balkon.

noch einmal mich wiegen im wehenden Wind
schäumende Welle
Meer über den Klippen meiner Kindheit
Sterne in den Händen
lachende Lampe auf dem Weg zum Spiegel
in dem ich mich wieder schaue
heilen Leibes
beschützt
an die Hand genommen
vom Licht
von grüner Wiese und Vulkanen
das Haar voller Spatzen
Schmetterlinge sprießen aus meinen Fingern
Luft nistet in den Zähnen
und kehrt zurück zur Ordnung
des Universums bewohnt von Zentauren.
kleide mich in Liebe
denn ich bin nackt.

[Gioconda Belli]


 




augen

Ich fürchte deine Augen.
sie schlagen die stummen Saiten meines Gesangs
scheuchen Vögel auf
vor den verschlossenen Türen des Vergessens
wecken Gespenster
in der schützenden Festung die ich hartnäckig baute
damit nichts mich berührte
noch jemals durchquerte
den Graben meiner Tränen.

Ein kleines Licht durchdrang
die Schwelle des Schattens.
Deine Augen suchten mich
und die meinen lachen
es lacht mein Körper von innen.

Ich verneine dich
und spüre doch Glück.
Unentschlossen, oberflächlich, alleswissend
seziere ich den Klang in den Adern
überquere den Fluß ehe die Brücke gebaut ist
addiere und subtrahiere mögliche Tränen
mögliches Lachen
während du
auch sprüde vor Angst
überlegst, die Zahl errechnest
die Trompeten putzt
die vielleicht
mit Donnergetöse
die Mauern von Jericho zerbrechen-


[Gioconda Belli]


 




ein rest der angst

Ich möchte nich traurig sein.
Ich dürfte nicht heute
erste Nacht der Regenzeit
Trübsal blasen.

Wenigstens müßte ich begreifen
wo das Band riß
welche Chance vertan wurde
welcher der Deiche druchlässig wurde für die Tränen.

Es ist wahr, ich schlafe allein
es ist wahnr, ich hasse die einsamen Nächte
die gedachte Umarmung leer auf dem Lacken.
Doch du gingst nicht für immer.

Im Gegenteil:
aus der Ferne fürchte ich deine Stimme nicht mehr die Liebe zu nennen
sie zu buchstabieren in all ihren Tönen
es ja beschlossenen, wir erlebten die Stürme gemeinsam
in der kleinen Arche der Sintflut
du mit deinen Tieren
und ich den meinen
und diese Trennung ist nur Übergang
Zollformalität
und nicht die völlige Dürre der Wüste
nicht der eisige Atem der Einsamkeit.

Vielleicht ist darum die Traurigkeit
reine Verschwendung.
Und doch ist diese Zeit wie reife Frucht in meinen Händen
und die Tage füllen sich mir mit vielfarbigen Geweben
und ich lebe eine Spanne Zeit voll von mir selbst
und darin bist auch du.


[Gioconda Belli]


 




ereignisse

Welle sein
schäumend im sanften
Murmeln deines Blutes

Dämmern am Rand deines Seins
kauern, das Haar zerfließend an deiner Schulter
gehalten vom Streicheln deiner Hand

Sprachlos flüstern
längstgesagter Worte
altbekannt seit der ersten Paarung
eines Mannes und einer Frau
die einer im anderen
die Welt entdecken.

Sanftes Tier sein
das dich sucht mit offenen Augen
und denkt das Leben ist schön
und stark und unerwartet neu.

(Gioconda Belli)



 




die linie

Die Linie von deinem Hals
zu deiner Schulter
reduziert einen Moment lang die ganze Welt
auf diese einfache Kurve,
die mich an die Krümmung des Universums erinnert.

Alle Ideen, alle Worte,
vergangene, gegenwärtige und zukünftige,
fließen in den Teil des Kreises,
den ich mit einem einzelnen Finger
bereisen kann.

Ich werde der Finger,
dann die Kurve,
danach das Universum
in dem Schmerz
und Glück der Ausdehnung.

Einen Augenblick lang
höre ich auf, ich zu sein,
und ein größeres Leben als mein eigenes
pulsiert zwischen meinen Fingern
und der Haut deines Halses.


(Ulrich Schaffer)



 




berühren

Wenn ich dich berühre,
tun sich Welten in mir auf.
Leuchtende Landschaften,
die auf mich gewartet haben,
Felder, die unter der Sonne reifen,
Seen, die mit ihrem Blau
den Himmel einladen,
auf die Erde zu kommen.
Ich sehe Wege,
die meine Füße anlocken.

Es liegt in der Berührung,
in dem Vertrauen
auf die Wahrheit des Moments.


(Ulrich Schaffer)


 




liegen

Auf der rechten Seite
so liegen dass
die Knie das Kinn
fast brühren. Sich den
Rücken frei halten für einen
nicht zu weichen
schmiegsamen Bauch.
Beine auch die mit meinen
scharf in die Kurve gehn
zwanzigfach Zeh'n
ganz unten. Ums Herz
in der linken Brust eine
Hand die den Schlag spürt
und bleibt im Nacken
ein schlafender Mund Speichelfäden.
Morgens aufwachen.
Immer noch da sein.
So.

(Ulla Hahn)


 




der stern

Der Stern am Firmament deines Herzens
ist ein Bild für die Sehnsucht,
die dich treibt.
Trau deiner Sehnsucht,
folge ihr bis an den äußersten Rand.


Anselm Grün


 




Es interessiert mich nicht, wie du dein Geld verdienst.
Ich will wissen, wonach du dich sehnst und ob du es wagst, davon zu träumen, der Sehnsucht deines Herzens zu begegnen.
Es interessiert mich nicht, wie alt du bist.
Ich will wissen, ob du es riskierst, dich für die Liebe lächerlich zu machen, für deine Träume, für das Abenteuer lebendig zu sein.
Es interessiert mich nicht, welche Planeten im Quadrat zu deinem Mond stehen.
Ich will wissen, ob du den Kern deines eigenen Lebens berührt hast, ob du durch die Enttäuschungen des Lebens geöffnet worden bist, oder zusammengezogen und verschlossen aus Angst vor weiterem Schmerz.
Ich will wissen, ob du im Schmerz stehen kannst, meinem oder deinem eigenen, ohne etwas zu tun, um ihn zu verstecken, ihn zu verkleinern, oder in Ordnung zu bringen.
Ich will wissen, ob du mit Freude sein kannst, meiner oder deiner eigenen; ob du mit Wildheit tanzen und dich von Ekstase füllen lassen kannst bis in die Spitzen deiner Finger und Zehen ohne zu ermahnen, vorsichtig zu sein, realistisch zu sein oder an die Beschränkungen des Menschseins zu erinnern.
Es interessiert mich nicht, ob die Geschichte, die du mir erzählst, wahr ist.
Ich will wissen, ob du einen anderen enttäuschen kannst, um dir selbst treu zu bleiben; ob du den Vorwurf des Verrats ertragen kannst und nicht deine eigene Seele verrätst.
Ich will wissen, ob du treu sein kannst und darum vertrauenswürdig.
Ich will wissen, ob du die Schönheit sehen kannst, auch wenn es nicht jeden Tag schön ist; und ob du dein Leben aus SEINER Gegenwart entspringen lassen kannst.
Ich will wissen, ob du mit Versagen leben kannst, deinem und meinem, und trotzdem am Ende eines Sees stehen kannst, um zum silbernen Vollmund zu rufen, "Ja".
Es interessiert mich nicht zu wissen, wo du lebst und wieviel Geld du hast.
Ich will wissen, ob du nach der Nacht der Trauer und Verzweiflung aufstehen kannst, müde und zerschlagen, um dich um die Kinder zu kümmern.
Es interessiert mich nicht, wer du bist und wie es kommt, dass du hier bist.
Ich will wissen, ob du in der Mitte des Feuers mit mir stehst, ohne zurückzuweichen.
Es interessiert mich nicht zu wissen, wo oder was oder mit wem du studiert hast.
Ich will wissen, was dich von innen trägt, wenn alles andere wegfällt.



Autor unbekannt