Der
Tod oder besser die Vorbereitungen auf das jenseitige Leben spielten innerhalb
der altägyptischen Kultur eine immens wichtige Rolle. Wunschtraum eines jeden Ägypters
war die Mumifizierung seines Körpers, um auf diese Weise den Verfall seines
irdischen Abbilds zu verhindern und ein Leben nach dem Tode zu sichern. Der
Erhalt des Körpers bekam dadurch einen sehr hohen Stellenwert im Ablauf des ägyptischen
Totenritus. Warum dies so ist wird im folgenden Abschnitt erläutert:
Körper
und Geist
Der
Mensch setzte sich nach ägyptischen Vorstellungen aus sechs Bestandteilen
zusammen. Drei an die Materie gebundene Teile waren der Leib chet, der
Name ren und der Schatten schut. Drei an das Geistig-Überweltliche
gebundene unsterbliche Wesenskräfte, nur hilfsweise und unzureichend als
Seelenteile zu bezeichnen, waren der ka, der ba, und der ach.
Der
ka sicherte dem Menschen die Dauerhaftigkeit seines ewigen Lebens,
ähnelte ihm wie ein Bruder und war unzerstörbar. Man glaubte, dass der ka
sich im Augenblick der Geburt des Menschen untrennbar mit diesem verband.
Der ka war auch imstande, den Menschen nach seinem Tode zu
versorgen, denn er allein konnte zwischen der eigentlichen Grabkammer und
der davorliegenden Kammer mit den Opfergaben hin- und hergehen und „die
geistigen Äquivalente
der dort niedergelegten Nahrungsmittel aufnehmen“.
Der
ba hingegen, eng mit dem Herzen des Menschen verbunden, verliess
den Körper im Moment des Todes und wurde deshalb als Vogel mit Menschenkopf
dargestellt. Er konnte jedwede Gestalt annehmen und auch umherschweifen, kehrte
jedoch stets an seinen angestammten Ort, das Grab, zurück. Der ba galt
als jener angeborene Teil des Menschen, der ihn befähigte, sich im
Leben wie auch im Tode zu wandeln.
Diese Eigenschaft macht es dem Verstorbenen möglich, mittels seiner
„Vogelseele“ am Tage in die Welt der Lebenden zurückzukehren. Voraussetzung
war, dass der Körper zur nächtlichen Rückkehr ins Totenreich als Heimstatt
bereit war. Ein zerstörter Leichnam hätte den ba zur ewigen
Heimatlosigkeit verdammt und damit die Persönlichkeit des Menschen für immer
zum Verschwinden gebracht.
Das dritte „Geistwesen“ des
Menschen war der ach. Er war ebenfalls unsterblich und man könnte ihn am
besten mit dem Begriff “ewige Seele“ umschreiben. Der ach gehörte
dem Bereich der Götter an, er wachte über das Grab und über den guten Ruf des
Verstorbenen und wurde als Ibis mit Krone wiedergegeben.
Demzufolge war es nicht
verwunderlich, dass jeder Ägypter, der es sich nur irgendwie leisten konnte,
auf sein Begräbnis beziehungsweise seine Mumifizierung, die Ausstattung seines
Grabes und die Beigaben grössten Wert legte. Nur in einen gut erhaltenen Körper
konnte sein ka zurückkehren. Ein zerstörter Körper konnte vom ka
nicht wiedererkannt werden und machte ein Leben im Jenseits zunichte. Die Angst
vor diesem erneuten Tod setzte für die Menschen Altägyptens in der
Auseinandersetzung mit Tod und Unsterblichkeit eine für uns kaum noch
nachvollziehbare Dimension und trieb sie zwangsläufig zu ungeheuren
Anstrengungen. Die Mumifizierung konnte noch so perfekt sein, das ewige Leben
war dadurch nicht gesichert. Der Verstorbene musste jetzt vor das Totengericht
treten.
Das Totengericht
Die
Illustration zum berühmten Totenbuchspruch 125 zeigt den Verstorbenen beim
Totengericht. Er wird vom schakalköpfigen Gott Anubis (Gott des Todes und der
Mumifizierung) zum Gericht geführt, wo sein Herz gegen das Symbol der Wahrheit,
die Feder der Göttin Maat, aufgewogen wird. Wenn die Feder auf der Waagschale
das gleiche Gewicht wie das Herz des Verstorbenen besitzt, ist dies ein Beweis
dafür, dass er ein Leben entsprechend der altägyptischen Rechtsnormen geführt
hatte. Unmittelbar rechts neben der
Waage steht der ibisköpfige Weisheitsgott
Thot. Mit Palette und Schreibbinse in seinen Händen notiert er das Ergebnis des
Wiegevorgangs. Wird der Verstorbene vor dem Totengericht als gerechtfertigt bestätigt,
wird er von Horus dem Gott Osiris, der oberster Totenrichter und Herrscher des
Jenseits ist, vorgeführt und kommt in die „Gefilde der Seeligen“. War der
Verstorbene jedoch ein schlechter Mensch, wird sein Herz von „der grossen
Fresserin“ Ammit, einem Mischwesen aus verschiedenen Raubtieren, vertilgt und
seine Seelen sind in alle Ewigkeiten verdammt. Das bedeutete den endgültigen
Tod, der von jedem Ägypter gefürchtet wurde.
[11,
S. 471/472]
Grab
und Grabbeigaben
Viele
Grabstätten lassen erkennen, wie ernst die Ägypter es mit dem Leben nach
dem Tod hielten, indem sie ihre Gräber wie ihre Wohnungen gestalteten.
Damit es dem Verstorbenen an nichts fehlte, gab es auch hier mehrere Räume,
die durch (Schein-) Türen miteinander verbunden waren. Nischen und
herrlich bemalte Wände rundeten das Ambiente ab. Um das Leben im Jenseits so
angenehm wie möglich zu machen wurden dem Verstorbenen zur Versorgung
Unmengen von Alltagsgegenständen ins Grab gelegt. Diese reichten von
Nahrung und Geschirr über Kleider, Parfüms, Schätze und Schmuck bis zu
Spielen und Musikinstrumenten zu
seiner Unterhaltung. Natürlich durfte auch das Mobiliar nicht fehlen. [3]
Jedoch
war dieses Leben in ewiger Heiterkeit getrübt durch die Pflichten, die
der Verstorbene für den Erhalt der jenseitigen lebensspendenden
Landwirtschaft zu erfüllen hatte. Seine Arbeitskraft auf den Frucht
bringenden Feldern war gefordert. Man hatte sich dafür aber einen Ausweg
geschaffen, indem man möglichst viele Dienerfiguren, sogenannte Uschebtis,
mit ins Grab nahm, welche die groben Arbeiten übernehmen sollten. Bis zu
365 Uschebtis, also für jeden Tag des Jahres einer, wurden bei den
Grabbeigaben gefunden, 36 Aufseher-Uschebtis sorgten für einen
reibungslosen Ablauf der Arbeit.
[11,
S. 479]
|