Der Tod oder besser die Vorbereitungen auf das jenseitige Leben spielten innerhalb der altägyptischen Kultur eine immens wichtige Rolle. Wunschtraum eines jeden Ägypters war die Mumifizierung seines Körpers, um auf diese Weise den Verfall seines irdischen Abbilds zu verhindern und ein Leben nach dem Tode zu sichern. Der Erhalt des Körpers bekam dadurch einen sehr hohen Stellenwert im Ablauf des ägyptischen Totenritus. Warum dies so ist wird im folgenden Abschnitt erläutert:

 

Körper und Geist

Der Mensch setzte sich nach ägyptischen Vorstellungen aus sechs Bestandteilen zusammen. Drei an die Materie gebundene Teile waren der Leib chet, der Name ren und der Schatten schut. Drei an das Geistig-Überweltliche gebundene unsterbliche Wesenskräfte, nur hilfsweise und unzureichend als Seelenteile zu bezeichnen, waren der ka, der ba, und der ach.

Ka-Statue, um 1750 v. Chr.Der ka sicherte dem Menschen die Dauerhaftigkeit seines ewigen Lebens, ähnelte ihm wie ein Bruder und war unzerstörbar. Man glaubte, dass der ka sich im Augenblick der Geburt des Menschen untrennbar mit diesem verband. Der ka war auch imstande, den Menschen nach seinem Tode zu versorgen, denn er allein konnte zwischen der eigentlichen Grabkammer und der davorliegenden Kammer mit den Opfergaben hin- und hergehen und „die geistigen Äquivalente der dort niedergelegten Nahrungsmittel aufnehmen“. 

 

Ba-Vogel, aus dem Grab Tutanchamuns, 1325 v. Chr.Der ba hingegen, eng mit dem Herzen des Menschen verbunden, verliess den Körper im Moment des Todes und wurde deshalb als Vogel mit Menschenkopf dargestellt. Er konnte jedwede Gestalt annehmen und auch umherschweifen, kehrte jedoch stets an seinen angestammten Ort, das Grab, zurück. Der ba galt als jener angeborene Teil des Menschen, der ihn befähigte, sich im Leben wie auch im Tode zu wandeln. Diese Eigenschaft macht es dem Verstorbenen möglich, mittels seiner „Vogelseele“ am Tage in die Welt der Lebenden zurückzukehren. Voraussetzung war, dass der Körper zur nächtlichen Rückkehr ins Totenreich als Heimstatt bereit war. Ein zerstörter Leichnam hätte den ba zur ewigen Heimatlosigkeit verdammt und damit die Persönlichkeit des Menschen für immer zum Verschwinden gebracht.

Das dritte „Geistwesen“ des Menschen war der ach. Er war ebenfalls unsterblich und man könnte ihn am besten mit dem Begriff “ewige Seele“ umschreiben. Der ach gehörte dem Bereich der Götter an, er wachte über das Grab und über den guten Ruf des Verstorbenen und wurde als Ibis mit Krone wiedergegeben.

Demzufolge war es nicht verwunderlich, dass jeder Ägypter, der es sich nur irgendwie leisten konnte, auf sein Begräbnis beziehungsweise seine Mumifizierung, die Ausstattung seines Grabes und die Beigaben grössten Wert legte. Nur in einen gut erhaltenen Körper konnte sein ka zurückkehren. Ein zerstörter Körper konnte vom ka nicht wiedererkannt werden und machte ein Leben im Jenseits zunichte. Die Angst vor diesem erneuten Tod setzte für die Menschen Altägyptens in der Auseinandersetzung mit Tod und Unsterblichkeit eine für uns kaum noch nachvollziehbare Dimension und trieb sie zwangsläufig zu ungeheuren Anstrengungen. Die Mumifizierung konnte noch so perfekt sein, das ewige Leben war dadurch nicht gesichert. Der Verstorbene musste jetzt vor das Totengericht treten.

 

Das Totengericht


Illustration des Totenbuchspruchs 125Die Illustration zum berühmten Totenbuchspruch 125 zeigt den Verstorbenen beim Totengericht. Er wird vom schakalköpfigen Gott Anubis (Gott des Todes und der Mumifizierung) zum Gericht geführt, wo sein Herz gegen das Symbol der Wahrheit, die Feder der Göttin Maat, aufgewogen wird. Wenn die Feder auf der Waagschale das gleiche Gewicht wie das Herz des Verstorbenen besitzt, ist dies ein Beweis dafür, dass er ein Leben entsprechend der altägyptischen Rechtsnormen geführt hatte.  Unmittelbar rechts neben der Waage steht der ibisköpfige  Weisheitsgott Thot. Mit Palette und Schreibbinse in seinen Händen notiert er das Ergebnis des Wiegevorgangs. Wird der Verstorbene vor dem Totengericht als gerechtfertigt bestätigt, wird er von Horus dem Gott Osiris, der oberster Totenrichter und Herrscher des Jenseits ist, vorgeführt und kommt in die „Gefilde der Seeligen“. War der Verstorbene jedoch ein schlechter Mensch, wird sein Herz von „der grossen Fresserin“ Ammit, einem Mischwesen aus verschiedenen Raubtieren, vertilgt und seine Seelen sind in alle Ewigkeiten verdammt. Das bedeutete den endgültigen Tod, der von jedem Ägypter gefürchtet wurde.

[11, S. 471/472]

 

Grab und Grabbeigaben

Gestell mit Lebensmitteln (Geflügel, Fleisch, Fisch, Feigen, Brot) aus einem Grab, um 1400 v. Chr.Viele Grabstätten lassen erkennen, wie ernst die Ägypter es mit dem Leben nach dem Tod hielten, indem sie ihre Gräber wie ihre Wohnungen gestalteten. Damit es dem Verstorbenen an nichts fehlte, gab es auch hier mehrere Räume, die durch (Schein-) Türen miteinander verbunden waren. Nischen und herrlich bemalte Wände rundeten das Ambiente ab. Um das Leben im Jenseits so angenehm wie möglich zu machen wurden dem Verstorbenen zur Versorgung Unmengen von Alltagsgegenständen ins Grab gelegt. Diese reichten von Nahrung und Geschirr über Kleider, Parfüms, Schätze und Schmuck bis zu Spielen und Musikinstrumenten zu seiner Unterhaltung. Natürlich durfte auch das Mobiliar nicht fehlen. [3]  

Uschebtis, 18. - 20. Dynastie (1550 - 1069 v. Chr.)Jedoch war dieses Leben in ewiger Heiterkeit getrübt durch die Pflichten, die der Verstorbene für den Erhalt der jenseitigen lebensspendenden Landwirtschaft zu erfüllen hatte. Seine Arbeitskraft auf den Frucht bringenden Feldern war gefordert. Man hatte sich dafür aber einen Ausweg geschaffen, indem man möglichst viele Dienerfiguren, sogenannte Uschebtis, mit ins Grab nahm, welche die groben Arbeiten übernehmen sollten. Bis zu 365 Uschebtis, also für jeden Tag des Jahres einer, wurden bei den Grabbeigaben gefunden, 36 Aufseher-Uschebtis sorgten für einen reibungslosen Ablauf der Arbeit.                 [11, S. 479]

Sargkammer des Paschedu, Theben-West, 19. Dynastie (um 1200 v. Chr.) Vergoldeter Stuhl, aus dem Grab des Tutanchamun, 1325 v. Chr. Schmuckstück aus dem Grab Tutanchamuns

                                   

Entstehung und Entwicklung der Mumifizierung

            

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