Hatte
man vor Jahrhunderten Mumien noch zu Medikamenten verarbeitet und Papier aus
ihren Hüllen gemacht, kamen seit dem 19. Jahrhundert immer mehr
wissenschaftliche Untersuchungen zustande. Von besonderem Interesse für
Ägyptologen waren und sind bis heute die Pharaonenmumien, von denen die meisten
1881 und 1889 in Sammelverstecken gefunden wurden. So ist es nicht
verwunderlich, dass wenige Jahre nach der Entdeckung die Mumien ausgewickelt und
zum Teil untersucht wurden, wobei ausgewickelt der falsche Ausdruck ist, denn
viele wurden in wenigen Minuten aus ihren Bandagen herausgeschnitten. Nur für
wenige wurde gleich nach dem „Auswickeln“ ein wissenschaftlicher Bericht
erstellt; erst Jahre später fertigte der berühmte englische Anatom Elliot
Smith eine genaue Studie an. Er war es auch, der erkannte, welche grossen
Möglichkeiten die erst einige Jahre zuvor entdeckte Untersuchungsmethode des
Röntgens für die Mumienforschung
bot. Noch eingewickelte Mumien konnten so durchleuchtet werden und
zum Teil Aufschluss über Sterbealter, gesundheitlichen Zustand, Geschlecht und
Art der Mumifizierung geben. Doch erst 1965 wurde die gesamte Sammlung von
ägyptischen Königsmumien geröntgt. Die Mumifizierungstechnik lässt sich
jedoch durch das konventionelle Röntgen nicht genauer untersuchen.
Die
harzigen Salbölmassen an den Mumien verwischen das Röntgenbild, Leinen und
Gewebereste sind nicht deutlich zu erkennen. Heute wird für die Untersuchung
der Balsamierungsart eine andere Untersuchungsmethode verwendet, die
Computertomographie (CT). Mit ihr gelingt es, die Mumie im Querschnitt
schichtweise zu untersuchen, wobei je nach Dichte der Materialien verschiedene
Farbtöne angezeigt
werden können.
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Vor
30 Jahren war es noch nötig gewesen, einen Abguss vom Originalschädel
herzustellen, um ein Gesicht rekonstruieren zu können. Heute kann der
Computer aus den CT-Bildern ein dreidimensionales Bild des Schädels
berechnen. Angeschlossen an ein spezielles Gerät kann nun ein Schädel
aus Kunststoff erstellt werden. Auf diesem Plastikschädel kann direkt die
Gesichtsrekonstruktion gearbeitet werden. Auf diese Weise angefertigte
Modelle – das weiss man aus gleichen Arbeiten in der Kriminalistik –
weisen eine sehr hohe Ähnlichkeit mit dem Gesicht der jeweiligen Person
auf. Die Einblicke, die man mit Hilfe der röntgen-diagnostischen Methoden
in eine Mumie gewinnen kann, machen heute ein Auswickeln und somit eine
Zerstörung der Mumie überflüssig.
[4,
S. 161-172 |
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Neben dem Röntgen und
der CT gibt es noch eine Vielzahl von anderen Untersuchungsmethoden, von
denen die wichtigsten hier aufgelistet sind. |
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Endoskopie
Mit
einer flexiblen „Mini-Videokamera“, welche in der Humanmedizin
Anwendung findet, kann eine Mumie durch verschiedene Zugänge endoskopiert
werden. Ihr Durchmesser von nur 2 mm ermöglicht es,
Einblick in noch eingewickelte Mumien zu verschaffen und Proben von
Gewebe und Leinen zu entnehmen, die mit den folgenden Methoden untersucht
werden können.
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C-14-Altersbestimmung
Diese
Form der Altersbestimmung ergibt sehr exakte Ergebnisse, doch zeigen sich häufig
Konflikte zwischen den physikalischen und den archäologischen Daten. Die
Methode beruht darauf, dass Lebewesen zu Lebzeiten das radioaktive
Kohlenstoff-Isotop C-14 aus ihrer Umwelt aufnehmen. Da der C14-Gehalt vom
Zeitpunkt des Todes an Dank des radioaktiven Zerfalls konstant abnimmt, lässt
sich an Hand des C-14-Anteils das Alter einer organischen Substanz bestimmen.
Gaschromatographie-Massenspektometrie
Die
Gaschromatographie ist eine Methode zur Trennung von Stoffgemischen, die gasförmig
vorliegen oder sich unzersetzt verdampfen lassen. Das verdampfte Stoffgemisch
wird mit dem Trägergas durch ein dünnes Rohr geleitet, welches mit einer Flüssigkeit
beschichtet ist. Die zu trennenden Stoffe verteilen sich in unterschiedlicher
Weise zwischen Trägergas und der flüssigen Schicht, was bewirkt, dass sie bis
zum Austritt unterschiedlich lange brauchen und so voneinander getrennt werden.
Die durch die Gaschromatographie getrennten Stoffe werden im Hochvakuum mit
Elektronen beschossen, wodurch sie in Ionen zerfallen. Diese werden im
Massenspektrometer nach Masse und Häufigkeit registriert. Augrund von
Vergleichen mit bekannten Stoffen ist in vielen Fällen eine eindeutige
Identifizierung des betreffenden Stoffes möglich. Mit dieser Methode lässt
sich beispielsweise die Zusammensetzung von Mumifizierungsessenzen feststellen.
Blutgruppenbestimmung
und DNS-Analyse
Diese
Methoden können Auskunft über Verwandtschaftsbeziehungen unter mumifizierten
Toten geben, was vor allem bei königlichen Mumien sehr interessant ist und
geschichtliche Lücken unter Umständen füllen kann.
Antikörpernachweis
Das
Gewebe wird nach noch vorhandenen Antikörpern untersucht, wodurch Krankheiten
identifiziert werden können. Über den Antikörpernachweis konnten bisher
Bilharziose und Malaria an altägyptischen Mumien nachgewiesen werden.
Natron-
und Mumifizierungsexperimente
Ab
1914 wurden Experimente künstlicher Mumifizierung an Ratten, Mäusen, Schafsköpfen
und Vögeln durchgeführt. Es wurde beispielsweise untersucht, welche Mengen von
Natron überhaupt nötig sind, um einen Körper so zu dehydrieren, dass er
konserviert wird und ob Natron oder Kochsalz besser konserviert. Einen Höhepunkt
dieser künstlichen Mumifizierungsuntersuchungen stellt die experimentelle
Mumifizierung eines menschlichen Leichnams 1994 durch Brier und Wade dar.
Die
Vielzahl der vorgestellten Untersuchungsmethoden macht deutlich, dass heutzutage
eine Mumienuntersuchung nur noch interdisziplinär sinnvoll durchgeführt werden
kann.
[10,
S. 27-30]
Heute
kann man so unter anderem das Sterbealter, die gesundheitliche Verfassung und
die Art der Mumifizierung herausfinden, doch lassen sich auch Rückschlüsse auf
die damaligen Lebensbedingungen in den verschiedenen sozialen Schichten ziehen.
Die Untersuchung auf Krankheitserreger hat jedoch nicht nur einen historischen
Wert. Heute leisten Mumien einen unschätzbaren Beitrag zur
medizinisch-wissenschaftlichen Forschung. Inzwischen
greift die moderne Medizin auf
Mumien zurück, um daraus Nutzen für die heutige Zeit zu erzielen.
Bruchstücke
von DNS können Aufschluss über den Ursprung tödlicher Krankheiten liefern.
Die Analyse ihrer Entwicklung im Laufe der Jahrhunderte kann helfen, Mittel
gegen Malaria, Hepatitis und Tuberkulose zu finden, um sie eines Tages
auszurotten. Besonders heute, wo Antibiotikaresistenz immer häufiger wird, ist
es wichtig, neue Strategien für die Bekämpfung dieser Krankheiten zu
entwickeln.
Ein
anderes Beispiel ist die Überwachung von problematischen Schwangerschaften mit
Techniken, die zur Untersuchung von Mumien in Museen entwickelt und an
Ultraschall angepasst wurden. Dieses Verfahren wurde an der Mumie einer altägyptischen
Priesterin in England perfektioniert.
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