Religionen in Geschichte und Gegenwart
Ein Informationssystem zu den heutigen Religionen
und ihren Ursprung
Buddhistische Religion
ab 400 v. Chr.
Buddhismus, eine Weltreligion, gegründet im Nordosten Indiens, beruht auf den Lehren von Siddhartha Gautama, bekannt als Buddha (der Erleuchtete).
Der Buddhismus war anfangs eine Bewegung buddhistischer Mönche innerhalb der vorherrschenden brahmanischen Tradition. Er wurde jedoch bald zu einer eigenen Richtung. Buddha lehnte nicht nur bedeutende Aspekte der hinduistischen Philosophie ab, sondern brach auch mit der Autorität der Priesterschaft und verneinte die Gültigkeit der vedischen Schriften sowie des hierauf beruhenden Opferkultes. Darüber hinaus öffnete er seine Bewegung für die Mitglieder aller Kasten, denn er lehnte den Gedanken ab, dass der spirituelle Wert eines Menschen durch seine Geburt bestimmt sein solle (Siehe Hinduismus).
Der Buddhismus gliedert sich heute infolge der Spaltung seiner Anhängerschaft in zwei Hauptrichtungen: den Theravada-Buddhismus, die Lehre der Alten, und den Mahayana-Buddhismus, das „große Fahrzeug", wobei der Theravada-Buddhismus von den Anhängern des Mahayana auch geringschätzig als Hinayana-Buddhismus oder „kleines Fahrzeug" bezeichnet wird.
Der Buddhismus gewann nicht nur in Indien an Bedeutung, sondern auch in Sri Lanka, Thailand, Kambodscha, Birma und Laos, wo hauptsächlich der Theravada-Buddhismus verbreitet ist. Der Einflussbereich des Mahayana-Buddhismus erstreckt sich neben Nordindien hauptsächlich auf China, Japan, Taiwan, Tibet, Nepal, die Mongolei, Korea und Vietnam. Weltweit wird die Anzahl der Buddhisten auf circa 300 Millionen Anhänger geschätzt, die zu 99 Prozent in Asien beheimatet sind.
Der Buddhismus ist nach Christentum, Islam und Hinduismus die Religion mit
den viertmeisten Anhängern.
Wie die meisten bedeutenden Glaubensrichtungen entwickelte sich auch der
Buddhismus über einen großen Zeitraum hinweg. Eine vollständige Biographie
von Buddha wurde erst Jahrhunderte nach seinem Tod erstellt. In den frühesten
Quellen wird sein Leben nur fragmentarisch belegt. Westliche Gelehrte sind sich
jedoch allgemein einig, dass das Jahr 563 v.Chr. als sein Geburtsjahr angenommen
werden kann.
Siddhartha Gautama, Buddha, wurde in Kapilawastu, nahe der heutigen Grenze zwischen Indien und Nepal, als Sohn des Herrschers über ein kleines Königreich geboren. Die Legende besagt, dass die Weisen bei seiner Geburt aus bestimmten Zeichen schlossen, dass es sich bei ihm um eine bedeutende Persönlichkeit handle, der es bestimmt sei, entweder ein Weiser oder der Herrscher eines Imperiums zu werden. Der junge Prinz wuchs in Luxus und Geborgenheit auf, bis er sich eines Tages in seinem 29.Lebensjahr der Leere seines bisherigen Lebens bewusst wurde. Unter Verzicht auf irdische Bindungen machte er sich auf die Suche nach Frieden und Erleuchtung und strebte nach Erlösung aus dem Kreislauf der Geburten. Während der nächsten Jahre praktizierte er Yoga und führte ein Leben in strengster Askese. Schließlich verwarf er jedoch den Weg der Askese und wählte den Mittelweg zwischen Maßlosigkeit und Selbstverleugnung. Unter einem Feigenbaum meditierend, gelang es ihm, verschiedene höhere Bewusstseinsebenen zu erreichen, bis er schließlich die ersehnte Erleuchtung fand. Unmittelbar nach seiner Erleuchtung zog er von Ort zu Ort und begann zu predigen. Er sammelte Schüler um sich und organisierte sie in eine Ordensgemeinschaft, die Sangha genannt wird.
Buddha verbreitete seine Lehren mündlich; er hinterließ keine
Niederschriften seiner Gedanken. Die schriftliche Formulierung seiner
religiösen Überzeugungen erfolgte erst später durch seine Nachfolger.
Im Mittelpunkt von Buddhas Erleuchtung steht die Erfahrung der vier edlen
Wahrheiten: (1)Leben ist Leiden; was mehr bedeutet als die bloße Erkenntnis von
der Existenz des Leidens im Leben. Es ist die Erkenntnis, dass das Leiden in der
Natur des menschlichen Wesens, in seiner Essenz liegt, von der Geburt an bis zum
Zeitpunkt seines Todes. Darüber hinaus bringt auch der Tod keine Erlösung,
denn Buddha übernimmt hier die hinduistische Idee vom Leben als Kreislauf, in
dem der Tod zur Wiedergeburt führt. (2)Die Ursache allen Leidens liegt in der
Unwissenheit, der Begierde und dem Neid, wobei die beiden Letzteren wiederum
durch Unwissenheit bedingt sind. (3)Das Leiden kann beendet werden durch die
Überwindung von Unverständnis und des Gebundenseins. (4)Der Weg zur
Vernichtung des Leidens aber ist der „edle, achtfache Pfad", bestehend
aus: rechte Anschauung, rechtes Wollen, rechtes Reden, rechtes Tun, rechtes
Leben, rechtes Streben, rechtes Denken, rechtes Sichversenken. Diese wiederum
können in drei Kategorien, Eckpfeiler der buddhistischen Glaubenslehre,
zusammengefasst werden: Moral, Weisheit und Samadhi oder Meditation.
Der Buddhismus analysiert die empirische Person als Einheit von fünf
Aneignungsgruppen oder „Bündeln" (Skandhas): der physische Körper,
Empfindungen, Wahrnehmungen, Geistesregungen und Bewusstsein. Dabei ist eine
Person nur eine zeitweilige Kombination dieser, einem ständigen Wandel
unterliegenden Gruppen. Daraus ergibt sich, dass sich eine Person in jedem
Moment ihres Daseins wandelt. Die Buddhisten lehnen es ab, die Aneignungsgruppen
einzeln oder in einer ihrer Kombinationen als ein beständiges, eigenständig
existierendes Selbst oder als eine Seele (siehe Atman) anzusehen. Darüber
hinaus werten sie es als Fehler, die Elemente, aus denen sich ein Individuum
zusammensetzt, als dauerhafte Einheit anzusehen. Wobei der Glaube an ein solches
Selbst unwillkürlich zu Egoismus, Streben und somit zu Leiden führen wird.
Solche Überlegungen führten zur Verbreitung der Lehre vom Anatman, oder der
Verneinung einer ewigen Einzelseele. Nach Auffassung Buddhas ist das gesamte
Dasein geprägt von den drei Kennzeichen: Anatman (keine Seele), Anitya
(Unbeständigkeit), und Dukkha (Leiden). Die Lehre von Anatman erforderte somit
eine Neuauslegung der indischen Idee von dem Wiedergeburtenkreislauf in der Welt
der Erscheinungen, bekannt als Samsara. So entstand die Lehre von
Pratityasamutpada oder von dem bedingten Werden. Anhand einer zwölfgliedrigen
Kette von Ursachen wird aufgezeigt, dass das Unverständnis einer
vorangegangenen Daseinsform die Bedingungen für eine neue Kombination von sich
herausbildenden Aneignungsgruppen schafft. Diese wiederum bewirken Geistes- und
Sinnesregungen, gefolgt von den daraus entstehenden Empfindungen, welche
ihrerseits das Streben und Festhalten am Dasein nach sich ziehen. Dieser Zustand
nun löst einen erneuten Werdegang aus und schafft somit einen neuen Kreislauf
von Geburt, Alter und Tod. Die Kette von Ursachen schafft also eine Verbindung
zwischen einem Leben und dem nächsten. Es wird ein Fluss von Existenzformen
postuliert und nicht ein beständiges Wesen, das aus einem Leben in ein
nächstes tritt, also ein Glaube an Wiedergeburt ohne Seelenwanderung.
Dieser Glaube ist in engem Zusammenhang mit dem Karma-Gesetz zu sehen. Das Karma
umfasst die Taten einer Person sowie deren ethische Folgen. Diese Taten der
Menschen bedingen die Wiedergeburt, wobei gute Taten zwangsläufig belohnt und
böse Taten bestraft werden. Dementsprechend existiert in der Welt weder
unverdientes Glück noch ungerechtfertigtes Leid, sondern bloß eine universelle
Gerechtigkeit. Das Karma vollzieht sich somit vielmehr aufgrund eines gewissen
moralischen Naturgesetzes als aufgrund eines Systems göttlichen Gerichts. Das
Karma bestimmt z.B. Art, Schönheit, Intelligenz, Langlebigkeit, Wohlstand und
sozialen Status. Nach Buddha können unterschiedliche Karmas zu einer
Wiedergeburt als Mensch, als Tier, als hungriger Geist, als Bewohner der Hölle
oder sogar als einer der Hindugötter führen.
Obwohl der Buddhismus die Existenz der Götter nicht ausdrücklich leugnet, räumt er ihnen auch keine besondere Rolle ein. Ihr Leben in der Himmelswelt ist lang und genussreich, sie befinden sich jedoch in der gleichen Lage wie die anderen Wesen, da sie schließlich auch den Weg des Todes und möglicherweise der Wiedergeburt in einer niedrigeren Daseinsform gehen müssen. Sie sind nicht die Schöpfer des Universums und haben auch keine Macht über das menschliche Schicksal. Von den möglichen Existenzebenen, in denen man wieder geboren werden kann, ist die Welt der Menschen vorzuziehen, da die Gottheiten von ihren Vergnügungen so beansprucht werden, dass sie darüber die Notwendigkeit der Erlösung vergessen. Somit ist die Möglichkeit der Erleuchtung nur den Menschen gegeben.
Endziel des buddhistischen Weges ist die Befreiung aus dem Kreis der immer
wiederkehrenden Welt der Erscheinungen und dem damit notwendigerweise
verbundenen Leiden. Dieses Ziel zu erreichen heißt, Nirvana zu erreichen, den
Zustand der Erleuchtung, in dem Gier, Hass und Unwissenheit erlöschen. Dieser
Zustand bedeutet jedoch noch keine völlige Auslöschung, er ist bloß ein nicht
zu definierender Bewusstseinszustand. Das Individuum kann nach Erreichen des
Nirvanas weiterleben und die Reste alten Karmas erlöschen lassen, bis mit dem
Einsetzen des Todes der Endzustand des vollkommenen Nirvanas (Parinirvana)
erreicht wird.
Theoretisch ist das Heilsziel Nirvana für jedermann erreichbar, obwohl nur
Mitglieder der Ordensgemeinschaft es als reelles Ziel betrachten können. Im
Theravada-Buddhismus ist ein Individuum, welches aufgrund des „achtfachen
Weges" die Erleuchtung erreicht hat, ein Arhat, eine Person von Verdienst
und Würde, ein Heiliger.
Diejenigen jedoch, die das Heilsziel nicht erreichen, haben die Möglichkeit
durch ein verbessertes Karma das nächste Ziel einer verbesserten Wiedergeburt
zu erringen. Von diesem geringeren Ziel versprechen sich hauptsächlich die
Laienbekenner unter den Buddhisten ein nächstes Leben, aus dem heraus es ihnen
möglich wird, als Mitglied der Sangha die letzte Erleuchtung zu erfahren.
Die ethischen Normen, die zum Nirvana führen, sind losgelöst und nach innen gerichtet. Sie umfassen vier tugendhafte Verhaltensweisen, bekannt als die Paläste des Brahma: Güte, Mitleid, mitfühlende Freude und Gleichmut. Hingegen richten sich jene ethischen Normen, die zu einem verbesserten Dasein durch Wiedergeburt führen, auf die Erfüllung der gesellschaftlichen Pflichten. Diese umfassen Wohltätigkeitshandlungen, insbesondere Unterstützung der Sangha, sowie die Einhaltung von fünf Geboten, die das Kernstück des buddhistischen Moralkodex bilden. Die Gebote umfassen das Verbot zu töten, zu stehlen, die Vermeidung von Lüge, Enthaltung von unkeuschem Wandel sowie vom Genuss von Rauschmitteln. Durch die Einhaltung dieser Gebote können die drei Hauptwurzeln des Bösen - Gier, Hass und Verblendung - überwunden werden.
Kurz vor seinem Tod lehnte Buddha den Wunsch seiner Schüler ab, seinen Nachfolger zu bestimmen. Er riet ihnen, aus eigenen Kräften und mit Fleiß an ihrer eigenen Vervollkommnung zu arbeiten. Zu jener Zeit existierten die buddhistischen Lehren bloß in mündlicher Überlieferung. Schon bald setzte sich aber die Erkenntnis durch, dass für den Erhalt einer einheitlichen und unverfälschten Lehre eine neue Basis geschaffen werden musste. Somit veranstalteten die Mitglieder der Ordensgemeinschaft regelmäßige Treffen, um sich über Grundsatzfragen und deren praktische Durchführbarkeit einig zu werden. Vier dieser Treffen wurden als Hauptkonzile bekannt.
Das erste Konzil wurde in Rajagrha (dem heutigen Rajgir) unmittelbar nach Buddhas Tod abgehalten. Unter dem Vorsitz des Mönches Mahakasyapa sollten nunmehr die Lehren Buddhas sowie eine geeignete Ordensdisziplin aufgesagt und darüber abgestimmt werden.
Etwa 100Jahre später fand ein zweites großes Konzil in Vesali statt. Anlass dieses Konzils war die Auseinandersetzung mit zehn fraglichen Ordenspraktiken der Mönche aus dem Vajjian-Bündnis - die Verwendung von Geld, der Genuss von Palmwein und andere Unstimmigkeiten. Das Konzil entschied gegen diese Praktiken. Einige Gelehrte führen die erste große Spaltung im Buddhismus auf dieses Ereignis zurück und machen die Entscheidungen des Konzils für das Schisma zwischen den Mahasanghikas, „Angehörige der großen Gemeinde", und den strengeren Sthaviras, „Anhänger der Lehre der Alten", verantwortlich. Es trifft jedoch eher zu, dass die Spaltung dieser beiden Gruppen erst 37Jahre später bei einem der nächsten Treffen stattgefunden hat, und zwar aufgrund der zunehmenden Spannungen in den Reihen der Sangha, was die disziplinären Fragen, die Rolle der Laienbekenner sowie das Wesen des Arhat betrifft.
Im Lauf der Zeit entstanden innerhalb dieser Gruppen weitere
Untergruppierungen, aus denen sich 18Schulen mit unterschiedlichen Auffassungen
bezüglich philosophischer, religiöser und auch disziplinärer Fragen
herausentwickelten. Von diesen 18 traditionellen Richtungen haben nur die
Theravada überlebt.
Ein drittes Konzil wurde im 3.Jahrhundert v.Chr. von dem Kaiser Aschoka in
Pataliputra (dem heutigen Patna) einberufen. Unter dem Vorsitz des Mönches
Moggaliputta Tissa sollten die Reihen der Sangha von einer Vielzahl falscher
Mönche und Häretiker gesäubert werden, die dem Orden aufgrund der
kaiserlichen Schirmherrschaft beigetreten waren. Das Konzil widerlegte die
anstößigen Anschauungen und verbannte ihre Vertreter. Im weiteren Verlauf
wurde die Zusammenfassung der buddhistischen Schriften (Tripitaka) vermutlich
beendet, wobei den im ersten Konzil rezitierten Lehren (dharma) und Ordensregeln
(vinaya) eine feinsinnige Philosophie (Abhidharma) angefügt wurde. Ein weiteres
Ergebnis des dritten Konzils bestand in der Entsendung von Missionaren in
verschiedene Länder.
Ein viertes Konzil unter dem Patronat des Kaisers Kanishka fand etwa 100 n.Chr. in Jalandhar bzw. Kaschmir statt. Ziel dieses Konzils, an dem vermutlich beide Zweige des Buddhismus teilnahmen, war es, Friede zwischen den unterschiedlichen Richtungen zu stiften. Allerdings weigern sich die Theravada-Buddhisten, seine Gültigkeit anzuerkennen.
Nach dem Tod Buddhas wurden die auf den Konzilen vorgetragenen traditionellen
Lehren über mehrere Jahrhunderte hinweg mündlich überliefert. Im
1.Jahrhundert v.Chr. wurden diese schließlich schriftlich fixiert. Einige der
frühen Schulen verwendeten das Sanskrit als Schriftsprache. Zwar existieren
einzelne Texte, aber ein vollständiger Kanon in Sanskrit ist nicht erhalten
geblieben. Hingegen ist der theravadische Kanon vollständig in Pali erhalten,
einer Art volkstümlichem Dialekt, der sich aus dem Sanskrit entwickelt hat.
Dieser buddhistische Kanon ist bekannt unter dem Namen Tipitaka,
oder „Dreikorb", da er aus drei Textsammlungen besteht: dem Sutra Pitaka,
einer Sammlung von Gesprächen; dem Vinaya Pitaka, dem Kodex, der die
Ordensregeln festlegt; und dem Abhidharma Pitaka, welcher philosophische,
psychologische und Lehrgespräche sowie Klassifizierungen enthält.
Der Sutra Pitaka besteht hauptsächlich aus Dialogen zwischen Buddha und anderen Personen. Er unterteilt sich in fünf Textgruppen: Digha Nikaya (Sammlung langer Gespräche), Majjhima Nikaya (Sammlung mittellanger Gespräche), Samyutta Nikaya (Sammlung von Gruppengesprächen), Anguttara Nikaya (Sammlung von Gesprächen zu nummerierten Themen) und Khuddaka Nikaya (Sammlung von verschiedenartigen Texten). Einen hohen Bekanntheitsgrad verzeichnen die Jatakas der fünften Gruppe, welche Geschichten aus Buddhas früheren Leben beinhalten, sowie die Dhammapada (religiöse Sätze), eine Zusammenfassung von Buddhas Lehren zur geistigen Disziplin und Moral.
Der Vinaya Pitaka umfasst über 225Regeln bezüglich der Verhaltensweisen buddhistischer Mönche und Nonnen. Jede dieser Regeln wird anhand einer Geschichte erläutert und begründet, und ihre Reihenfolge ergibt sich aus dem Ausmaß der Übertretung derselben.
Der Abhidharma Pitaka besteht aus sieben eigenständigen Werken. Diese umfassen ausführliche Klassifizierungen psychologischer Phänomene, metaphysische Analysen und ein Wörterbuch mit Fachausdrücken. Obwohl fachlich maßgebend, haben die Texte dieser Sammlung nur einen geringen Einfluss auf die Laienbekenner. Der vollständige Kanon ist sehr verbreitet und existiert auch in einer tibetischen sowie einer chinesischen Fassung.
Zwei nichtkanonische Texte mit beträchtlichem Einfluss im Theravada-Buddhismus sind Milindapanha (Fragen des Königs Milinda) und Visuddhimagga (Weg der Säuberung). Milindapanha entstand im 2.Jahrhundert und beschäftigt sich, in Dialogform geschrieben, mit einer Reihe von fundamentalen Problemen des buddhistischen Weltbildes. Visuddhimagga ist das Meisterwerk des berühmtesten buddhistischen Kommentators, Buddhaghosa (wirkte im frühen 5.Jahrhundert). Es stellt ein umfassendes Kompendium buddhistischen Gedankengutes und meditativer Praktiken dar.
Die Theravada-Buddhisten sehen in den Tripitaka die traditionsgemäße Niederschrift des überlieferten Wortes von Siddhartha Gautama. Die Mahayana-Buddhisten hingegen haben ihre Schriften nicht auf die Lehren der historischen Figur allein beschränkt und haben Mahayana auch nie an einen abgeschlossenen Kanon von heiligen Schriften gebunden. Folglich entstanden zu unterschiedlichen Zeiten der Geschichte unterschiedliche Schriftstücke, die jeweils für die verschiedenen Zweige des Mahayana relevant wurden. Zu den wichtigsten Mahayana-Schriften gehören: Saddharmapundarika Sutra (Lotos des Guten Gesetzes Sutra, bekannt als Lotos Sutra), Vimalakirti Sutra, Avatamsaka Sutra (Garland Sutra) und Lankavatara Sutra (ein Buddhas Abstieg nach Sri Lanka beschreibendes Sutra) sowie eine Gruppe von Schriften, die als Prajnaparamita (Perfektion der Weisheit) bekannt wurden.
In den frühen Entwicklungsjahren des Buddhismus entstanden widersprüchliche Interpretationen zu den Lehren des Meisters, was zur Herausbildung der 18 traditionellen buddhistischen Schulen führte. Zusammengenommen wurden diese Schulen schließlich als zu konservativ und zu wörtlich in der Auslegung der Lehre Buddhas erachtet. Dem Theravada-Buddhismus, als einer der Schulen, wurde übermäßiger Individualismus und Vernachlässigung der Bedürfnisse der Laienbekenner nachgesagt. Unzufriedenheiten solcher Art leiteten schließlich auf dem zweiten Konzil im Jahr 383 v.Chr. die Abspaltung eines liberalen Flügels der Sangha vom Rest der Mönche ein.
Während die konservativeren Mönche in Buddha weiterhin den vollkommen
erleuchteten Menschen und Lehrer verehrten, entwickelten die Mahasanghikas ein
neues Konzept. Sie betrachteten Buddha als ewiges, allgegenwärtiges,
transzendentales Wesen. Sie stellten Theorien auf, nach denen der Mensch Buddha
bloß eine Verkörperung des transzendentalen Buddhas gewesen sei, der zum Wohl
der Menschheit erschaffen wurde. Von diesem Verständnis über das Wesen Buddhas
ausgehend, können die Mahasanghika als eine Art Vorläufer des Mahayana
angesehen werden.
Die Entstehung des Mahayana ist recht undurchsichtig. Sogar die Namen seiner
Begründer sind unbekannt, wobei sich Gelehrte auch uneinig sind, ob die
Ursprünge im Süden oder Nordwesten Indiens zu suchen seien. Die
Entwicklungsjahre des Mahayana werden vom 2.Jahrhundert v.Chr. bis zum
1.Jahrhundert n.Chr. angesetzt.
Zeitlich gesehen reichten die Spekulationen um die Gestalt des ewigen Buddha bis weit über die Anfänge der christlichen Ära hinaus und gipfelten in der Mahayana-Lehre von seinem dreifältigen Wesen, oder der dreifachen „Körperlichkeit" (Trikaya). Und zwar: die Körperlichkeit der Essenz, die Körperlichkeit der gemeinschaftlichen Glückseligkeit und die Körperlichkeit der Umwandlung. Die Essenz stellt das Grundwesen Buddhas dar. Jenseits von aller Form ist es das unveränderlich Absolute und wird als Bewusstsein bzw. Leere bezeichnet. Diese Essenz des Wesens Buddha offenbart sich in himmlischer Form als gemeinschaftliche Glückseligkeit. So verkörpert sitzt Buddha in göttlicher Herrlichkeit predigend im Himmel. Schließlich erscheint das Wesen des Buddha auf Erden in Menschenform, um die Menschheit zu bekehren. Diese Erscheinungsform ist als Körperlichkeit der Umwandlung bekannt. Unter dieser Form soll Buddha bereits unzählige Male auf Erden erschienen sein. Mahayana sieht die Gestalt des historischen Buddha bloß als ein Beispiel für die Körperlichkeit der Umwandlung an.
Das neue Buddha-Konzept des Mahayana ermöglichte neue Konzepte von der göttlichen Barmherzigkeit und der wiederholten Offenbarung, die im Theravada-Buddhismus nicht existieren. Der Glaube an die himmlische Offenbarung Buddhas führte zur Herausbildung eines wichtigen Elements im Mahayana, und zwar der göttlichen Verehrung. Demgemäß haben einige Wissenschaftler die frühen Entwicklungszeiten des Mahayana als „Hinduisierung" des Buddhismus beschrieben.
Eine weitere wichtige Neuerung im Mahayana ist das Konzept des Bodhisattva, bzw. des erleuchteten Wesens, dem Ideal, dem der gute Buddhist entgegenstreben sollte. Ein Bodhisattva ist jenes Individuum, das zwar die vollkommene Erleuchtung erlangt hat, den letzten Schritt zum Nirvana jedoch unterlässt, um die Errettung aller anderen empfindungsfähigen Wesen zu ermöglichen. Der Bodhisattva überträgt eigene, über mehrere Leben angesammelte Verdienste auf weniger glückliche Wesen. Die Hauptattribute dieses gesellschaftlichen Heiligen sind Mitleid und Herzensgüte. Aus diesem Grund schätzt Mahayana den Bodhisattva höher ein als den Arhats, das Ideal der Theravada-Buddhisten. Bestimmte Bodhisattvas, wie z.B. Maitreya, der Buddhas Herzensgüte darstellt, und Avalokiteshvara oder Kuan-yin, der sein Mitleid verkörpert, wurden für das Volk zum Mittelpunkt von Verehrung und Anbetung im Mahayana.
Im 7.Jahrhundert entwickelte sich in Nordindien durch die Verschmelzung des Mahayana mit Volksglauben und Magie eine neue Form des Buddhismus, der als Tantrismus (siehe Tantra) bekannt ist. Ähnlich wie beim Hindu-Tantrismus, der um die gleiche Zeit entstand, unterscheidet sich der buddhistische Tantrismus vom Mahayana durch die starke Betonung der sakramentalen Handlungen. Der Tantrismus, auch als Vajrajana, das diamantene Fahrzeug, bekannt, ist eine esoterische Tradition. Die einleitenden Zeremonien beinhalten den Eingang in ein Mandala, einen mystischen Kreis oder eine symbolische Karte des geistigen Universums. Wichtig im Tantrismus ist auch die Verwendung der Mudras, oder rituellen Gesten, sowie der Mantras, oder heiligen Silben, welche abwechselnd rezitiert werden und als Mittel zur Meditation dienen. Vajrajana wurde zur vorherrschenden Form des Buddhismus im Tibet und wurde auch über China nach Japan überliefert, wo es heute noch von der Shingon-Schule praktiziert wird.
In Buddhas Geburtsland ging die Verbreitung des Buddhismus rasch vonstatten. Von Kaiser Aschoka entsandte Missionare führten die Religion in Südindien ein sowie im Nordwesten des Subkontinents. Inschriften der Aschoka'schen Periode zufolge wurden Missionare auch in die Mittelmeerländer ausgeschickt, jedoch blieben ihre Bestrebungen ohne Erfolg.
Kaiser Aschokas Sohn Mahinda und Tochter Sanghamitta wurden mit der
Missionierung von Sri Lanka beauftragt. Seit seinen Anfängen war der
Theravada-Buddhismus die Staatsreligion von Sri Lanka.
Nach der Überlieferung wurde der Theravada-Buddhismus während der
Regierungszeit von Aschoka von Sri Lanka nach Birma übertragen. Allerdings gibt
es erst seit dem 5.Jahrhundert n.Chr. gesicherte Beweise seiner Existenz in
Birma. Von hier aus breitete sich im 6.Jahrhundert der Theravada-Buddhismus auf
das Gebiet des heutigen Thailands aus. Die Thai nahmen den Buddhismus im 12. und
14.Jahrhundert an, als sie in die Region von Südwestchina vordrangen. Mit der
Entstehung des Königreiches Thailand wurde er zur Staatsreligion erklärt.
Während des 14.Jahrhunderts bekannte sich auch das Königshaus in Laos zum
Theravada-Buddhismus.
Gegen Ende des 2.Jahrhunderts n.Chr. begannen sowohl der Mahayana wie auch der Hinduismus ihre Einflüsse auf Kambodscha auszuüben. Nach dem 14.Jahrhundert wurde jedoch die ältere Einrichtung unter dem Einfluss von Thailand stufenweise durch den Theravada ersetzt und schließlich zur ersten Religion in Kambodscha erklärt.
Etwa zu Beginn der christlichen Ära gelangte der Buddhismus nach Zentralasien. Schon früh im 1.Jahrhundert n.Chr. erreichte er dann über die Handelswege China. Zwar widersetzte sich ihm die konfuzianische Orthodoxie, und er wurde in den Jahren 446, 574 bis 577 und 845 schweren Verfolgungen ausgesetzt, aber der Buddhismus fasste trotzdem Wurzeln, beeinflusste die chinesische Kultur und wurde seinerseits durch chinesische Einflüsse verändert. Mit der großen Verfolgung 845 verlor dann der chinesische Buddhismus an Einfluss, obwohl die meditative Zen- oder Ch'an-Sekte (aus dem Sanskrit dhyana: Meditation) und die fromme Sekte „Reines Land" nicht an Bedeutung verloren.
Von China aus ging die Verbreitung des Buddhismus weiter. Zwar versuchte die konfuzianische Geistlichkeit eine Ausdehnung auf Vietnam zu verhindern, aber der Einfluss des Mahayana wird hier schon für 189 n.Chr. belegt. Traditionellen Quellen zufolge erreichte der Buddhismus Korea 372 n.Chr. von China aus. Ab diesem Zeitpunkt wurde Korea dann aufgrund des chinesischen Einflusses über Jahrhunderte hinweg stufenweise konvertiert.
Von Korea aus gelangte der Buddhismus dann nach Japan. Obwohl er dort schon vorher bekannt war, gilt allgemein 552 n.Chr als offizielles Datum seiner Einführung. 593 wurde der Buddhismus von Prinz Shotoku zur Staatsreligion erklärt.
Die Einführung des Buddhismus im Tibet erfolgte Anfang des 7.Jahrhunderts
n.Chr. unter dem Einfluss der fremdländischen Ehefrauen des tibetischen
Königs. Bis zur Mitte des folgenden Jahrhunderts entwickelte er sich zu einer
bedeutenden Kraft in der tibetischen Kultur. Schlüsselfigur in der
Herausbildung des tibetischen Buddhismus war der indische Mönch Padmasambhava,
der 747 nach Tibet kam. Seine wichtigste Aufgabe sah er in der Verbreitung des
tantrischen Buddhismus, der schließlich zur vorherrschenden Form des Buddhismus
im Tibet wurde. Der indische und der chinesische Buddhismus wetteiferten in
Tibet zunächst miteinander, bis die Chinesen unterlagen und gegen Ende des
8.Jahrhunderts aus Tibet vertrieben wurden.
Etwa sieben Jahrhunderte später übernahmen die tibetischen Buddhisten die
Idee, dass die Äbte ihrer großen Klöster Reinkarnationen der berühmten
Bodhisattvas seien. Demzufolge wurde das Oberhaupt dieser Äbte als Dalai-Lama
bekannt. Seit Mitte des 17.Jahrhunderts bis zur Besetzung Tibets durch China
1950/51 regierten die Dalai-Lamas Tibet in einer Theokratie.
In China entstanden einige neue buddhistische Sekten, die dort wie auch in Japan und anderen Gebieten Ostasiens zur Blüte gelangten. Die wichtigsten darunter waren Ch'an oder Zen und „Reines Land" oder der Amidismus.
Im Mittelpunkt des Zen steht die Versenkung und Meditation als Weg zu einer plötzlich und intuitiv eintretenden Erkenntnis von dem eigenen innersten Buddha-Wesen. Im Zen, dessen Begründer, der indische Mönch Bodhidharma, 520 nach China kam, wird die praktische Übung und die persönliche Erleuchtung der Lehre oder dem Studium der Schriften vorgezogen.
Anstelle der Meditation treten bei der Sekte „Reines Land" der Glaube und die Verehrung des Buddha Amitabha oder Buddha des „Unendlichen Glanzes" als Mittel zur Wiedergeburt in einem ewigen Paradies, bekannt als „Reines Land". Eine Wiedergeburt in jenem abendländischen Paradies wurde nicht so sehr von menschlicher Frömmigkeit als vielmehr von der Macht und dem Wohlwollen Amitabhas abhängig gemacht. Verehrer beweisen ihre Hingabe an Amitabha anhand unzähliger Wiederholungen des Satzes „Gehuldigt sei der Buddha Amitabha". Indessen würde eine einzige Wiederholung dieser Worte ausreichen, um den Eingang in das „Reine Land" zu erlangen.
Eine ausschließlich japanische Glaubensrichtung des Mahayana stellt der Nitschiren-Buddhismus dar, benannt nach seinem Begründer, der im 13.Jahrhundert lebte. Für die Nitschiren-Anhänger enthält das Lotos Sutra die Essenz der buddhistischen Lehre. Sein Inhalt kann auf die Formel „Lob sei dem Lotos Sutra" begrenzt werden, wobei der Bekenner durch die bloße Wiederholung dieser Formel die Erleuchtung erlangen kann.
Uneinigkeiten bezüglich der religiösen Verpflichtungen und Vorschriften tauchen sowohl in den Reihen der Sangha selbst wie auch zwischen ihnen und den Laienbekennern auf.
Seit den Anfängen des Buddhismus waren die frömmsten Anhänger Buddhas in der Ordensgemeinschaft der Sangha organisiert. Ihre Mitglieder waren erkennbar an den geschorenen Köpfen und ihrer Robe aus ungenähtem, orangefarbenem Tuch. Die frühen buddhistischen Mönche, die Bhikkhus, wanderten von Ort zu Ort und ließen sich bloß während der Regenzeit in Gemeinschaften nieder, da dann das Umherziehen schwierig wurde. Jede der Niederlassungen, die sich später daraus entwickelten, war unabhängig und demokratisch organisiert. Das Ordensleben wurde von den Regeln des Vinaya Sutra, einer der drei kanonischen Textsammlungen, bestimmt. Alle 14Tage wurde in jeder Gemeinschaft eine förmliche Zusammenkunft der Mönche, eine Uposatha, abgehalten. Im Mittelpunkt dieser Vorschrift stand die Rezitation der Vinaya-Regeln sowie die öffentliche Bekennung aller Verstöße. Die Sangha hatten verschiedene Verhaltenskodexe für Mönche und Nonnen, was als einzigartig im indischen Ordensrecht gilt. Die Theravada-Mönche und Nonnen lebten im Zölibat und empfingen ihre Nahrung in Form von Almosen auf ihrer täglichen Runde in den Heimen der Laienbekenner. Diese Vorschrift von der Ernährung durch Almosen wurde später von der Zen-Schule missachtet. Der Kodex dieser Gemeinschaft enthielt die Vorschrift, dass ihre Mitglieder auf den Feldern arbeiten müssen, um die eigene Nahrung zu verdienen. In Japan erlaubt die weit verbreitete Shin-Schule, ein Zweig der Glaubensgemeinschaft „Reines Land", ihren Priestern sogar zu heiraten und Familien zu gründen. Zu den traditionellen Aufgaben der buddhistischen Mönche gehört die Veranstaltung von Begräbnissen und Gedenkfeiern zu Ehren der Toten. Zu den Hauptbestandteilen solcher Dienste gehören das Rezitieren von Schriften sowie die Übertragung der Verdienste zugunsten des Verstorbenen.
Die buddhistische Laienbewegung ist hauptsächlich individueller Natur und nicht so sehr an eine Gemeinde gebunden. Schon seit den frühesten Zeiten gibt es ein für Laienbekenner wie auch für Mitglieder der Sangha gemeinsames Glaubensbekenntnis, die Annahme der dreifachen Zuflucht, d.h. das Rezitieren der Formel: „Ich suche Zuflucht in Buddha. Ich suche Zuflucht im Dharma. Ich suche Zuflucht im Sangha." Obwohl im Theravada Buddha eigentlich nicht angebetet wird, äußert sich die ihm erbrachte Ehrerbietung im Stupa-Kult. Eine Stupa ist ein kuppelförmiger heiliger Bau, der eine Reliquie enthält. Die Anbeter umschreiten das Kuppelgewölbe und tragen Blumen und Weihrauch als Zeichen ihrer Verehrung. Eine der Reliquien, Buddhas Zahn aus Kandy (Sri Lanka), ist Mittelpunkt eines besonders populären Festes an Buddhas Geburtstag. Buddhas Geburtstag wird in jedem buddhistischen Land gefeiert. Im Theravada wird diese Feierlichkeit Vaisakha genannt, nach dem Geburtsmonat von Buddha. In Ländern mit vorherrschendem Theravada-Buddhismus ist ein weit verbreitetes Fest die als Pirit oder Beschützung bekannte Zeremonie, bei der Lesungen aus einer Sammlung von Beschützungsformeln aus dem Pali-Kanon vorgenommen werden, um böse Geister auszutreiben, Krankheiten zu heilen, neue Gebäude zu segnen und andere Wohltätigkeiten zu erlangen.
In Ländern, in denen der Mahayana-Buddhismus vorherrscht, ist das Ritual von größerer Bedeutung als im Theravada. Abbildungen von Buddhas und Bodhisattvas an den Tempelaltären der Wohnungen von Bekennern sind Mittelpunkt ihrer Anbetung. Gebete und Sprechgesänge sind gebräuchliche Andachtshandlungen wie auch Frucht-, Blumen- und Weihrauchopfer. Das wohl bekannteste buddhistische Fest in China und Japan ist das Ullambana-Fest, bei welchem den Geistern der Toten sowie den hungrigen Geistern geopfert wird. Während dieser Feierlichkeiten sollen die Tore zu der anderen Welt angeblich offen stehen, so dass die dahingegangenen Geister für kurze Zeit zur Erde zurückkehren können.
Eine der nachhaltigsten Stärken des Buddhismus ist seine Fähigkeit, sich wandelnden Bedingungen sowie einer Vielfalt von Kulturen anzupassen. Vom philosophischen Standpunkt widersetzt er sich dem Materialismus, sowohl der westlichen wie auch der marxistisch-kommunistischen Variante. Der Buddhismus empfindet sich jedoch nicht als Widerspruch zu den modernen Wissenschaften. Ganz im Gegenteil vertritt er die Ansicht, dass sich Buddha bei der Hinterfragung von Grundwahrheiten experimenteller Methoden bedient hat.
In Thailand und Birma blieb der Buddhismus stark. Obwohl der Buddhismus in Indien zwischen dem 8. und 12. Jahrhundert n. Chr. zum Großteil verschwand, konnte seit 1956, aufgrund der Bekehrung von 3,5 Millionen früherer Mitglieder der Kaste der Unantastbaren unter der Leitung von Bhimrao Ramji Ambedkar, ein begrenztes Wiederaufleben bemerkt werden. Eine ähnliche Wiederbelebung des Buddhismus konnte auch im 19. Jahrhundert in Sri Lanka verzeichnet werden.
Stärkerer Widerstand wurde dem Buddhismus in den kommunistischen Republiken Asiens entgegengesetzt. In China z. B. blieb der Buddhismus zwar bestehen, wird aber einer strengen Regelung und Kontrolle durch den Staat unterstellt. Viele Klöster und Tempel wurden in Schulen, Gesundheitseinrichtungen oder andere öffentliche Einrichtungen umfunktioniert. Den Mönchen und Nonnen wurde auferlegt, zusätzlich zu ihren religiösen Aufgaben einer geregelten Arbeit nachzugehen. Seit dem Einmarsch der Chinesen in Tibet 1950/51 und der darauf folgenden Flucht des Dalai-Lama (1959) und anderer buddhistischer Persönlichkeiten nach Indien, versuchten jene den buddhistischen Einfluss zu unterbinden oder zumindest zurückzudrängen.
Wirklich neue buddhistische Bewegungen entstanden nach dem 2. Weltkrieg
lediglich in Japan. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist Soka-gakkai, die
„Gesellschaft zur Schaffung von Werten", eine Laienbewegung, die sich als
Fortführung des Nitschiren-Buddhismus versteht. Bemerkenswert sind: die
effektive Organisation, ihre aggressiven Bekehrungsmethoden, die Nutzung von
Massenmedien sowie ihr Nationalismus. Sie verspricht ihren Anhängern
materiellen Wohlstand und weltliches Glück. Seit 1956 engagiert sie sich auch
in der japanischen Politik und stellt für ihre Partei, die Komeito oder „Reine
Regierungspartei", Kandidaten auf.
Ein wachsendes Interesse an der asiatischen Kultur und ihren geistigen Werten
führte im Westen zur Herausbildung einer Vielzahl von Gesellschaften, die sich
mit der buddhistischen Lehre und ihrer Anwendung beschäftigen. Durch seinen
wachsenden Einfluss im Westen unterzieht sich der Buddhismus abermals einem
Anpassungsprozess an die neuen kulturellen Gegebenheiten. In den Vereinigten
Staaten umfasst der Zen-Buddhismus bereits ein Dutzend Meditationszentren und
eine Vielzahl neuer Klöster. Auch ist das Interesse am Vajrajana-Buddhismus
angewachsen.
Die Buddhisten in Deutschland haben sich unter dem Dachverband der Deutschen
Buddhistischen Union (DBU) mit Sitz in München zusammengeschlossen. Anfang der
neunziger Jahre waren rund 20 000 Deutsche praktizierende Buddhisten, die sich
in rund 180 Gruppen und Zentren organisiert hatten. Die Zahl dieser Gruppen und
ihrer Mitglieder hatte sich bis Anfang 1997 mehr als verdoppelt. Anfang der
neunziger Jahre lebten hier außerdem rund 40 000 Buddhisten asiatischer
Abstammung. In Österreich haben sich die Anhänger des Buddhismus als
Österreichische Buddhistische Religionsgemeinschaft (ÖBR) mit Sitz in Wien
organisiert. In allen deutschsprachigen Ländern, besonders aber in der Schweiz,
in der die meisten der exilierten Tibeter leben, ist der tibetische Buddhismus
die am häufigsten praktizierte Variante.
Quelle:
www.wort-gottes.ch
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